Früher wusste ich lange nicht, was ich beruflich machen sollte oder wollte. Ich wusste eher, was ich nicht wollte (oder konnte). Das war immerhin etwas – denn die Berufswahl war für mich eigentlich eine Belastung. Nicht zu wissen, was man will, kann sehr mühsam und schwerfällig sein. Für mich war klar, dass ich die Matura machen wollte – so hatte ich noch einmal vier Jahre mehr Zeit, um mich für eine berufliche Richtung zu entscheiden.
Schon als Kind habe ich leidenschaftlich gern gezeichnet, gemalt und mir eigene Bilderwelten erschaffen. Damals konnte ich mir allerdings nicht vorstellen, dass man daraus einmal einen Beruf machen könnte (ausser vielleicht Zeichnungslehrerin).
Dank einer Berufsberatung kam ziemlich klar zum Vorschein, dass ein Psychologiestudium gut zu mir passen würde. Dieser Empfehlung bin ich gefolgt. Nach dem Bachelorstudium in Zürich habe ich dort auch meinen Masterabschluss in Sozial-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie gemacht. Ich mochte meine Studienzeit, freute mich aber auch auf ein etwas strukturierteres Arbeitsleben.
Zu dieser Zeit arbeitete ich in einer Marktforschungsfirma – zunächst im Rahmen eines Studentenjobs – und bewarb mich dort auf eine feste Stelle. So konnte ich nach dem Studium direkt im Berufsalltag Fuss fassen. Ich mochte meine Aufgaben, mein Team und hatte einen tollen Chef. Allerdings waren meine Weiterbildungsmöglichkeiten eher begrenzt. Nach einigen Jahren veränderte sich im Unternehmen vieles: Es gab zahlreiche Umstrukturierungen, Personalwechsel und -abgänge, einen Bürowechsel, weniger Benefits – und noch weniger Entwicklungsmöglichkeiten. Ich merkte zunehmend, dass ich auf Dauer nicht zufrieden sein würde, wenn ich bliebe.
Als «Bürogummi» in einer Schnittstellenposition – zwischen HR, IT, Kundenberatung, Strategieplanung, Teilnehmerverwaltung und Kleinsteventorganisation – fehlten mir zunehmend die kreative Komponente und der echte Kontakt mit Menschen.
Dann kam der Tag, an dem ich an einem Visualisierungsseminar der innovation-factory teilnehmen durfte. Das war der Auslöser für alles, was danach folgte.
Plötzlich wusste ich, dass ich mich in diese Richtung entwickeln möchte: Visuelle Kommunikation. Mit Bildern Arbeiten. Ich habe mich also bei der innovation-factory «beworben» und durfte dort eine interne Ausbildung im Bereich Visualisierung machen. Zuerst habe ich mich in die «Kunst» des Graphic Recordings vertieft, danach meine Leidenschaft fürs «Seminar-Geben» entdeckt. Was als nebenberufliche Neuausrichtung begann, wurde zur hauptberuflichen Leidenschaft. Der Schritt in die Selbstständigkeit war für mich ein grosser Entwicklungsschritt – persönlich und beruflich. Dabei habe ich vor allem einen grossen Schritt aus meiner Komfortzone gemacht – den wohl grössten bisher – und es nie bereut.
Mir wurde immer mehr bewusst, wie wertvoll mein nichtlinearer beruflicher Hintergrund für meine «neue» Arbeit war – und immer noch ist. Wie gut sich alles zusammenfügt und mir in vielerlei Hinsicht nützlich ist.
Heute arbeite ich mit interessanten Menschen zusammen, bewege mich in unterschiedlichen Bereichen und Branchen, lerne verschiedenste Firmen und Organisationen kennen, wachse bei meiner Arbeit selbst weiter und spüre immer wieder, wie sehr Bilder und Visualisierungen Menschen begeistern und weiterbringen können.
Visuelle Sprache ist kraftvoll. Diese Kraft versuche ich anderen näher zu bringen.
Sie macht Komplexes verständlich, bringt das Wesentliche auf den Punkt – und bleibt im Kopf. Bilder sprechen intuitiv, emotional und universell. Sie verbinden, inspirieren, aktivieren. Ob live gezeichnet oder strategisch geplant – visuelle Sprache schafft Klarheit, Fokus und Wirkung.
SWONET: Was fasziniert und begeistert Dich an Deiner Arbeit?
Stephanie: Die Vielfältigkeit meiner Aufgaben und der Austausch mit so vielen inspirierenden Persönlichkeiten. Ich gebe Seminare, zeichne live an Veranstaltungen mit, begleite unterschiedliche Prozesse visuell, mache Gedanken und Ideen sichtbar und ich übersetze abstrakte Themen wie z.B. Strategien und Visionen in Bildgeschichten, die mehr erzählen als Worte allein.
Was mich besonders freut: Dass ich ansteckend bin. Mich begeistert, dass ich andere Menschen begeistern kann. Speziell in dem Moment, wenn sie merken, dass sie doch zeichnen können. Wenn plötzlich ihre Kreativität zu fliessen beginnt. Das passiert in jedem meiner Workshops oder Seminare. Dieses Befähigen anderer motiviert mich ungemein.
Ich liebe es auch, dass meine visuellen Zusammenfassungen – meine Graphic Recordings –Veranstaltungen nachhaltiger und merk-würdiger machen. Sie helfen, dass die Inhalte länger im Gespräch bleiben.
Bilder machen Freude. Sie verbinden und fördern Kommunikation – das fasziniert mich jeden Tag aufs Neue.
SWONET: Wie betrachtest Du Karriere, früher und heute?
Stephanie: Der Begriff Karriere war für mich nie besonders wichtig. Er war eher abstrakt, weil ich lange nicht wusste, was ich überhaupt machen möchte. Zudem habe ich unter einer „erfolgreichen Karriere“ immer eine klassische, lineare Karriereleiter verstanden – zum Beispiel innerhalb eines Unternehmens.
Was mir hingegen immer wichtig war: ein gutes Umfeld im Job, dass ich mich wohlfühle und mir die Arbeit Freude macht. Persönliche und berufliche Weiterentwicklung finde ich essenziell – aber nicht im Sinne von Titeln oder Rängen.
er Schritt in die Selbständigkeit war für mich ein grosser Karriereschritt – einer, bei dem ich nicht „nach oben“, sondern „nach vorne“ gegangen bin.
SWONET: Was ist Dein Rat für Berufseinsteigerinnen oder Gründerinnen?
Stephanie: Grundsätzlich würde ich sagen: Mach, wenn möglich, immer das, was dich selber begeistert und motiviert. Dann kannst du auch andere motivieren. Probiere Verschiedenes aus, besonders wenn du noch nicht genau weisst, was dich wirklich begeistert. Vertraue deinem Bauchgefühl. Wenn du dich in dem, was du tust, nicht wohlfühlst, dann probiere weiter – du wirst deinen Weg finden.
An alle GründerInnen: Die Komfortzone zu verlassen gehört wahrscheinlich dazu. Das kann überwältigend sein, aber es lohnt sich.
SWONET: Wie startest Du in den Tag?
Stephanie: Das kommt ganz darauf an, was gerade auf dem Programm steht – ob ein Einsatz vor Ort oder ein Tag im Homeoffice ansteht.
Was aber immer meine erste Amtshandlung ist: Ich ertaste, wo meine schnurrende Katze gerade auf mir liegt. Dann wird kurz geschmust und anschliessend tapse ich in die Küche, um sie zu füttern. Damit ist sie vor dem Hungertod gerettet, und ich kann mich um mich selbst kümmern.
Egal, was ansteht – ich bin morgens super schnell bereit. Ich bin keine Zmörgelerin, kein Morgenmuffel – aber leider auch keine Sportskanone. Also: aufstehen, fertig