«Natürlich habe ich schon Rassismus erlebt. Auch in der Schweiz»: Die Amazon-Länderchefin im Interview

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Aargauer Zeitung – Yvonne Bettkober ist in Tschad geboren. Heute führt sie den Amazon-Ableger in der Schweiz. Im Gespräch erklärt sie, wie man Frauen für Technik begeistert und wie die Cloud beim Strom sparen hilft.

Als schwarze Frau sind Sie in einer Topposition bei einem der grössten Tech-Unternehmen. Sehen Sie sich als Vorbild?

Yvonne Bettkober: (lacht) Mittlerweile schon. Es hat aber ein bisschen gedauert. Wie vielen Frauen ist mir die Sinnhaftigkeit wichtig. Deshalb bin ich gerne ein Vorbild. Ich kann anderen Menschen mit meinem Handeln ermutigen, den Weg zu gehen, den sie wollen. Sie sehen, dass die Gesellschaft tatsächlich diverser wird. Das gibt mir ein gutes Gefühl.

Sind Sie auch auf Widerstände gestossen?

Im Job eigentlich nicht. Die Tech-Industrie ist eine sehr meritokratische Branche. Man kann ziemlich gut beurteilen, welche Leistungen eine Person erbringt, und nur diese zählen. Ich habe nie zu hören bekommen: «Die ist ja nur so weit gekommen, weil sie eine Frau ist. Oder weil sie schwarz ist.» Im Alltag habe ich aber natürlich schon Rassismus erlebt.

Auch in der Schweiz?

Ja, es kommt schon vor, dass man komisch angeschaut wird. Oder sogar jemand das N-Wort sagt. Das passiert auch meinen Kindern. Aber es wird weniger.

In Zürich haben Sie kürzlich ein neues Büro bezogen. Wie viele Mitarbeitende haben Sie in der Schweiz?

Wir brechen die Zahlen nicht auf Länderebene herunter. Doch wir wollen weiter wachsen. Derzeit haben wir 75 offene Stellen.

Ist es schwierig, diese zu besetzen?

Es gibt einen guten Pool an Talenten in der Schweiz. Wir profitieren von exzellenten Universitäten und einer guten Berufsausbildung. Doch langfristig wird der Fachkräftemangel in der Informatik zum Problem. Bis 2030 werden wir laut ICT-Berufsbildung Schweiz zwischen 30’000 und 40’000 zusätzliche Fachkräfte in den ICT-Berufen brauchen. Schweizweit ist die Zahl der ICT-Lernenden zwar auf 10’414 gestiegen, das ist aber noch immer zu wenig.

Was ist zu tun?

Drei Viertel aller Absolventen von technischen Studiengängen sind Männer. Das muss sich ändern. Wenn wir genug Mädchen für technische Studiengänge und IT-Berufslehren animieren können, lösen wir auch das Fachkräfteproblem der Branche. Wir haben dazu unter anderem das Programm «Get IT» entwickelt. Wir gehen damit in die Schulen und wollen Mädchen für IT-Berufe begeistern.

Was haben Sie anders gemacht als andere Frauen, dass Sie in der Informatikbranche gelandet sind?

Ich bin in Kamerun aufgewachsen. In Afrika sind Frauen in technischen Berufen viel verbreiteter als in der Schweiz. Es war für mich also keine grosse Hürde. Ich habe gesehen, was in Afrika alles fehlt und wollte zur gesellschaftlichen Verbesserung etwas beitragen. Das geht sehr gut mit Technologie, damit kann man grosse Dinge bewegen. Das ist genau die Erzählung, die wir unter Mädchen in der Schweiz verbreiten müssen. Denn für sie ist es wichtig, etwas Sinnstiftendes zu tun. Allzu oft wird Informatik aber als etwas Abstraktes, Verkopftes dargestellt, dem sich bloss Nerds zuwenden.

Noch dieses Jahr eröffnet Amazon eigene Datencenter in der Schweiz. Warum ist lokale Verankerung im globalen Cloud-Business wichtig?

Viele haben den Wunsch geäussert, dass sie ihre Daten in der Schweiz gespeichert haben möchten. Das trifft insbesondere auf Banken und Unternehmen im Gesundheitssektor zu, die entsprechende Vorgaben einhalten müssen. Wir haben zugehört und gehandelt.

Sie sind ein US-Unternehmen. Wenn der amerikanische Staat die Daten eines Ihrer Kundinnen und Kunden will, müssen sie diese aushändigen, auch wenn sie in der Schweiz gespeichert sind.

So einfach geht das nicht. Eine Strafverfolgungsbehörde, egal ob amerikanisch oder nicht, kann nicht einfach anklopfen und sagen: «Gebt uns die Daten von diesem oder jenem Unternehmen heraus.» Es braucht dazu einen formellen Durchsuchungsbefehl, der von einem unabhängigen Richter überprüft und genehmigt werden muss. Ausserdem gilt er nur für eine enge Kategorie von Daten: Beweise, die im Zusammenhang mit einer Straftat, wie etwa Terrorismus, gesucht werden.

Wie oft kommt das vor?

In unserem Transparenzbericht können Sie auch die Anzahl der Anfragen einsehen, die zu einer Offenlegung von Unternehmens- oder Regierungsinhaltsdaten, die sich ausserhalb der Vereinigten Staaten befinden, geführt hat. Im aktuellen Report vom Juli 2022 lag diese bei null.

Dennoch: Am besten speichert man die Daten verschlüsselt, oder?

Klar, das empfehlen wir auch. Der Kunde kann seine Schlüssel auch selbst zu verwalten. Da haben wir keinen Zugriff auf die Keys. Nur der Kunde kann die Daten wieder entschlüsseln. Wenn wir gezwungen wären, verschlüsselte Daten herauszugeben, so könnten die entsprechenden Behörden nichts damit anfangen. Das gilt natürlich auch bei Diebstählen.

Die meisten Firmen nutzen Windows-Programme. Wie überzeugen Sie diese, dass sie ihre Daten nicht auch bei Microsoft speichern, sondern bei Amazon?

Wir sind der Pionier der Cloud und der Marktführer. Das spricht für uns. Wir haben über 200 verschiedene Dienstleistungen und können unsere Kunden sehr individuell unterstützen. Ausserdem hören wir ihnen genau zu. 90 Prozent dessen, was wir entwickeln, geht auf Kundenwünsche zurück.

Je mehr Daten auf die Cloud ausgelagert und gestreamt werden, desto mehr Strom verbrauchen die Server und werden zur Umweltbelastung.

Unser Geschäft ist ein Geschäft der Optimierung. Wir setzen alles daran, Chips und Server möglichst optimal auszulasten. So reduzieren wir die Kosten. Gleichzeitig reduzieren wir auf diese Weise aber auch den ökologischen Fussabdruck: Das Speichern der gleichen Datenmenge benötigt weniger Platz und weniger Energie. Eine Studie von 451 Research ergab, dass der ökologische Fussabdruck unserer Datencenter 80 Prozent unter jenem eines traditionellen liegt. Wer also Energie sparen will, sollte seine Daten nicht auf eigenen Servern lagern. Diese können nie so effizient betrieben werden.

Wegen des Krieges in der Ukraine befürchtet man Stromlücken im Winter. Wie sind Sie vorbereitet?

All unsere Rechenzentren sind mit einer Notstromversorgung ausgestattet, um sicherzustellen, dass die Stromversorgung im Falle eines Stromausfalls aufrechterhalten werden kann.

Der Artikel von Raffael Schuppisser

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