«Meinen Mann fragt das niemand»

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Aargauer Zeitung – Noemi Lea Landolt –

Christina Bachmann-Roth muss sich als berufstätige Mutter so einiges anhören: «Meinen Mann fragt das niemand» Die Lenzburger Einwohnerrätin Christina Bachmann-Roth ist die neue Präsidentin der CVP-Frauen Schweiz. Im Gespräch mit der AZ sagt sie, warum sie ein höheres Rentenalter für Frauen befürwortet, warum es mehr bürgerliche Frauenpolitik braucht und warum es sie nicht stört, dass ihr Slogan bekannter ist als ihr Name.

Der Name Christina Bachmann-Roth sagt vielen nichts. Ihr Wahlkampfslogan von 2019 hingegen ist über die Kantonsgrenzen hinaus bekannt. «Bald kommen meine Tage», stand auf ihren Plakaten, als sie 2019 auf der Liste der CVP für den Nationalrat kandidierte. Erfolglos zwar – aber der Slogan hat sich in den Köpfen festgesetzt. Ziel erreicht.

Am Samstag vor einer Woche ist Christina Bachmann-Roth von der Mitgliederversammlung der CVP-Frauen Schweiz mit grosser Mehrheit als neue Präsidentin gewählt worden. In der Woche nach der Wahl empfängt Bachmann-Roth die AZ zum Gespräch in Lenzburg. Seit neun Jahren wohnt die 38-Jährige mit ihrer Familie im Städtchen. 2019 rutschte sie in den Einwohnerrat nach.


Herzliche Gratulation zur Wahl als Präsidentin der CVP-Frauen Schweiz. Was haben Sie als erstes vor?

Christina Bachmann-Roth: Dieses Wochenende war Frauensession in Bern. Da habe ich alle Mitte-Frauen, die teilgenommen haben, zu «Kafi und Gipfeli» im Bundeshaus eingeladen. Politisch geht es nun darum, diese Vorstösse aus der Frauensession aufzunehmen und sie in der Partei weiterzutreiben. Die bürgerliche Frauenpolitik muss stärker werden.

Wo wollen Sie Akzente setzen?

Bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zum Beispiel. Als Mutter von vier kleinen Töchtern stecke ich da mittendrin. Ich zeige, dass es möglich ist, Politik, Familie und Beruf zu vereinbaren. Gleichzeitig sehe ich klaren Handlungsbedarf. Es braucht zum Beispiel mehr Tagesschulen. Aber es braucht auch die Eigenverantwortung der Frauen.

Wie meinen Sie das?

Der Staat kann nicht alles regeln. Er kann Strukturen, eben zum Beispiel Tagesschulen, schaffen und mitfinanzieren, welche die Vereinbarkeit erleichtern. Aber wir Frauen müssen uns auch gegenüber unseren Partnern durchsetzen, wenn wir nach der Geburt der Kinder wieder arbeiten möchten. Das kann nicht der Staat regeln. Das kann man nur als Paar tun, indem man alte Rollenmodelle neu denkt.

Sie arbeiten 70 Prozent, Ihr Mann 60 Prozent. Mussten Sie ihn von diesem Modell überzeugen?

Es war schon ein Prozess. Wir haben mit dem Thema gerungen, bevor wir Kinder hatten und am Anfang war es sicher nicht konfliktfrei. Wir sind beide in einem traditionellen Haushalt aufgewachsen. Mein Mann hatte lange das Gefühl, die Mutter sei wichtiger für die Kinder und diese Rolle könne man nicht ersetzen. Aber für mich war immer klar, dass ich arbeiten und trotzdem Kinder haben möchte. Inzwischen könnten wir es uns beide nicht mehr anders vorstellen.

Müssen Sie sich für dieses Modell rechtfertigen?

Natürlich! Dauernd! Im Moment werde ich zum Beispiel häufig gefragt, warum ich jetzt noch in die Politik müsse, wo ich doch schon Karriere und Familie habe. Manchmal werde ich auch gefragt, warum ich überhaupt Kinder habe, wenn ich ja trotzdem nicht zu ihnen schaue – obwohl ich notabene zwei Tage während der Arbeitswoche in der Familie arbeite. Meinen Mann fragt das niemand. Bei ihm heisst es stattdessen: «Was?! Du arbeitest nur 60 Prozent?» Und er wird angehimmelt, wenn er mit vier Kindern in den Bus steigt.

Sie finden, Frauenpolitik sei zu stark in linker Hand und sehe deshalb oft nur die Bedürfnisse der Städterinnen.

Eines vorweg: Ich kritisiere die Linke überhaupt nicht für ihre starke Frauenpolitik. Ich bin sehr froh darum. Aber auch wir Bürgerlichen müssen Frauenthemen stärker mit unseren Werten bewirtschaften. Wir überlassen solche Themen zu oft den linken Parteien. Gerade Landfrauen haben oft andere Bedürfnisse.

Inwiefern?

Sie sind noch stärker in der Familie eingebunden, vielleicht ist sogar ein Familienbetrieb vorhanden. Die Forderung nach Tagesstrukturen und Fremdbetreuung für Kinder macht in ihrer Lebenswelt oft keinen Sinn und kann sogar eine Abwehrhaltung gegenüber Frauenpolitik auslösen. Wir müssen den Landfrauen deshalb noch viel stärker zeigen, dass es in der Frauenbewegung auch um sie geht. Es ist zum Beispiel immer noch nicht selbstverständlich, dass Landfrauen, die sich um Hof, Garten, Kinder und Tiere kümmern, dafür auch einen Lohn erhalten. Das ist zum Beispiel bei einer Scheidung ein riesiges Problem, wenn plötzlich die Altersvorsorge fehlt.

Wie wollen Sie die Frauen auf dem Land abholen?

Ich bin sehr ländlich aufgewachsen und Unternehmerin im Käse-Geschäft, was auch sehr ländlich ist. Das hilft mir sicher. Obwohl ich inzwischen in der Stadt lebe, kenne ich beide Seiten. Ich glaube, wir können Frauen auf dem Land auch abholen, indem wir klar aufzeigen, dass wir nicht gegen Männer politisieren, sondern die Männer miteinbeziehen. Frauenpolitik ist Gesellschaftspolitik.

Was hat Sie politisiert?

Ich bin wohl als politisches Wesen zur Welt gekommen, falls es das gibt. Ich komme aus einer Unternehmerfamilie, wir haben viel politisiert am Tisch. Ich habe mich dann zuerst auf die Arbeit und meine Karriere fokussiert. Aber ich wusste immer: Wenn ich mal weiss, wo ich wohnen und auch längere Zeit bleiben werde, will ich in die Politik einsteigen.

Warum Frauenpolitik?

Dafür gab es ein Schlüsselereignis am Arbeitsplatz. Es gab Unstimmigkeiten ab dem Zeitpunkt, als mein Chef wusste, dass ich schwanger bin. Ich merkte, dass Männer neben mir befördert wurden, obwohl ich besser qualifiziert gewesen wäre. Es war das erste Mal, dass ich mich in der Arbeitswelt nicht gleichberechtigt fühlte – während der Ausbildung und vor der Schwangerschaft war das nie ein Thema.

Was haben Sie getan?

Ich habe das thematisiert und gekämpft. Am Schluss habe ich sogar eine Lohnkompensation erhalten. Es hat sich gelohnt.

Unterdessen sind Sie Geschäftsführerin. Haben es Frauen an der Spitze einfacher als «normale Mitarbeiterinnen»?

Ich bin ja nach wie vor angestellt. Aber Chefin zu sein, gibt mir natürlich schon Möglichkeiten, die ich sonst nicht hätte. Ich kann selbst Leute einstellen, Akzente setzen und punkto Vereinbarkeit mit gutem Beispiel vorangehen. Das ist auch in einem globalen Konzern möglich. Wer eine Karriere anstrebt, ist rasch in Positionen, in denen man Teams führen kann. Man muss sich halt einfach viel mehr nach oben boxen. Aber das müssen Männer genauso. Frauen haben einfach noch etwas weniger Leute, die ihnen in die oberen Positionen helfen.

Braucht es Frauenquoten?

Nicht überall. Aber in Fachkommissionen zum Beispiel sollte man Quoten festschreiben. Es gibt genug kompetente Frauen.

Sie haben mal geschrieben, Sie stünden für realpolitische und nicht utopische Gleichberechtigung ein. Inwiefern ist Gleichberechtigung utopisch?

Natürlich ist Gleichberechtigung nicht utopisch. Es geht mir um Forderungen in diesem Zusammenhang, die ich teilweise utopisch finde. Die Diskussion um die Erhöhung des Rentenalters für Frauen ist für mich so ein Beispiel. Wir haben ein riesiges Defizit bei der AHV, es braucht dringend Reformen bei den Sozialversicherungen – aber die Linke will beim Rentenalter keine Gleichstellung, weil diese zuerst an anderen Orten erreicht werden müsse.

Das sehen Sie anders?

Ja. In dieser Diskussion geht es nicht nur um Solidarität gegenüber Frauen, sondern auch um Solidarität gegenüber der jüngeren Generation. Erhöhen wir das Rentenalter nicht, leben wir auf Kosten der Jungen – das betrifft auch die jungen Frauen. Und das muss aufhören! Generationengerechtigkeit ist mir sehr wichtig. Es erstaunt mich, dass die Jungen dafür nicht längst auf die Strasse gehen.

Sie haben vier Töchter. Wo sollen Sie es einfacher haben, wenn sie mal erwachsen sind?

Einfacher werden sie es wahrscheinlich nicht haben. Wenn ich nur schon an den Klimawandel denke, den es zu meistern gilt. Ich wünsche mir, dass für sie die Vereinbarkeit einfacher wird und ich hoffe, dass auch meine Töchter noch eine AHV haben. Wir müssen auch das Problem mit der Gewalt an Frauen in den Griff bekommen. Da sehen wir leider überhaupt keinen Rückgang. Ausserdem erlebt jede vierte Frau in der Schweiz sexuelle Übergriffe. Rein statistisch heisst das, dass es mindestens eine meiner Töchter trifft. Das darf nicht sein!

Sehen Sie das Präsidium der CVP Frauen Schweiz als Sprungbrett, um politisch weiterzukommen?

In diesem Amt geht es nicht um mich, sondern um uns als Team. Ich möchte als Präsidentin der CVP Frauen Schweiz mithelfen, andere erfolgreich zu machen. Ich möchte Frauen aus der Lokal- und Kantonalpolitik eine Bühne geben. Wir müssen die vielen Mitte-Frauen zeigen, die sich überall und jeden Tag für eine Frauenpolitik der Mitte engagieren. Das ist meine Aufgabe. Eine sehr schöne Aufgabe, finde ich.

Trotzdem: Welche politischen Ambitionen haben Sie noch?

Als nächstes will ich am 28. November wieder in den Lenzburger Einwohnerrat gewählt werden. Und natürlich möchte ich sehr gerne national in die Politik einsteigen. Darauf arbeite ich hin. Ich bin eine ambitionierte Person. Es ist aber immer die Frage, wann der richtige Zeitpunkt ist. Ich bin ja auch noch berufstätig und muss Lohn nach Hause bringen.

Könnten Sie sich vorstellen, Nachfolgerin von Kantonalpräsidentin Marianne Binder zu werden?

Im Moment definitiv nicht. Ich bin jetzt Einwohnerrätin und Präsidentin der CVP Frauen Schweiz. Ich will nicht Ämter sammeln. Ich hoffe auch, dass Marianne Binder unsere Partei sicher noch bis nach den nächsten nationalen Wahlen 2023 führt. Sie ist eine sehr erfahrene Wahlkämpferin und bringt Erfolg. Darum ist es auch schwierig, einen Ersatz zu finden.

Könnten Sie sich vorstellen, Ihren Beruf aufzugeben und nur noch Politikerin zu sein?

Nein, sicher nicht. Ich habe einen spannenden Beruf und die Verankerung in der Privatwirtschaft ist mir wichtig. Ein Exekutivamt würde mich sicher einmal reizen. Dafür müsste ich wohl den Beruf aufgeben. Ein 100-Prozent-Pensum liegt aber im Moment nicht drin.

Bei den letzten nationalen Wahlen haben Sie mit Ihrem Slogan «Bald kommen meine Tage» für Schlagzeilen gesorgt. Wahrscheinlich ist der Slogan bekannter als Sie. Stört Sie das?

Überhaupt nicht! Ich habe mit dem Slogan die Aufmerksamkeit gezielt gesucht. Vielleicht stört er mich, wenn ich mal in der Menopause bin (lacht). Nein ernsthaft: Es geht mir ja nicht darum, Leute vor den Kopf zu stossen, sondern humorvoll und frisch zu sein. Der Slogan passt zu mir und unterstreicht meine Art.

Ihre Partei hat die Wahlplakate mit dem Slogan damals nicht bezahlt.

Stimmt. Natürlich hat der Spruch auch innerhalb der Partei ein paar erschreckt. Aber alles in allem hatte ich aus der Partei viel mehr positive als negative Reaktionen. Sie wissen ja, dass ich keine Querschlägerin bin. Ich bin im Parlament, in der Einbürgerungskommission und arbeite in den Parteileitungen mit. Ich mache viel mehr stille Basisarbeit als laute Aktionen – diese Arbeit sieht man von aussen einfach weniger.

Das ganze Interview mit Details

Foto: Chris Iseli

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