Die Tage sind lang – und die Abende noch länger

Medien

Tagesanzeiger / Mamablog – Mirjam Oertli

Diskussionen ums Ausgehen und Büffeln für den Franz-Test füllen zunehmend den Feierabend unserer Autorin – und sie findet das ganz okay so.

Früher, als die Kinder klein waren, gab es den Tag. Und es gab den Abend. Am Tag war Spielplatz, war «Mama, Mama, Mamaaaa», war umgekippter Apfelsaft, wenn man kurz nicht schaute. Aber am Abend, da war mal Schluss. Ruhe, ungestörte Erwachsenengespräche, manchmal konzentriertes Arbeiten und immer wieder herzwohlige Blicke auf schlafende Kinder. (Natürlich gab es auch die Nacht, aber das ist eine andere Geschichte.)

Es ging nicht von heute auf morgen. Man rutscht ja hinein, unmerklich. Irgendwann stellte ich einfach fest: Am Abend noch arbeiten? Schaffe ich nicht mehr. Stille Momente oder die Hoheit über die TV-Fernbedienung: Wo sind sie hin? Und dann stöhnt eines Tages die Freundin, die noch kleinere Kinder hat: «Weisch, wenn sie um halb acht ENDLICH im Bett sind…» Und es lichtet sich der Nebel um meine Wahrnehmung und die Erkenntnis sackt: Klar, unsere waren doch früher auch irgendwann mal im Bett!

Immer jemand wach
Alles gut, wie es ist

Ja, hin und wieder vermisse ich das. Aber nur hin und wieder. Meist finde ich alles ganz gut so, wie es ist. Früher legte sich die Stille ja irgendwann nach zwanzig Uhr wie eine warme Decke über zehrende Tage voller Darvida-Brösmeli und «Conni lernt Rad fahren». Wie schnell man sie vergisst, diese Tage – die konstante Full-Service-Anwesenheit mit vollem Körpereinsatz, die oft schon nach dem Mittag einsetzende Erschöpfung bis zum Umfallen –, fällt mir stets dann auf, wenn ich wieder einmal der Freundin mit den kleineren Kindern zuhöre. Ihre frühen Feierabende hat sie mehr als verdient.

Zurückgekehrte Pausen

Manchmal gar so weit, dass ich das Gewusel als Glück empfinde. Denn wie lange wird es noch währen, das Zeitfenster zwischen «abends später einschlafen» und «abends öfter weg sein»? Bereits jetzt kommt es gelegentlich vor, dass ich doch wieder einmal einen Kugelschreiber klicken höre oder sehe, dass die TV-Fernbedienung unumkämpft auf dem Sofa liegt – nun, da die Grösste anfängt, auszugehen. Das ist dann schon auch mal nett. Noch mehr aber freue ich mich, wenn sie wieder kommt und noch ein wenig von ihrem Abend erzählt.

Der Artikel von Mirjam Oertli

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