Das Machtnetz der Unia-Präsidentin Vania Alleva

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BILANZ – Anne Barbara Luft

Die Unia-Präsidentin ist die mächtigste Gewerkschafterin der Schweiz. Im «heissen Lohnherbst» kämpft sie hartnäckig – aber nie verbissen.

Es gab viel zu tun für die Gewerkschaften im diesjährigen «heissen Lohnherbst». Die Inflation ist zurück. In der Schweiz steigen die Preise moderater als im Rest von Europa, trotzdem: Die Reallöhne schrumpfen. Die Arbeitnehmervertreter kämpfen nach Jahren stabiler Preise wieder für einen Teuerungsausgleich.

An ihrer Spitze steht Vania Alleva (53), Chefin der grössten Gewerkschaft der Schweiz. Seit 2015 ist sie die erste Frau als alleinige Präsidentin der Unia. Ihre starke Vernetzung in der Gewerkschaft hat ihr den Weg in die Geschäftsleitung geebnet. Als schweizerisch-italienische Doppelbürgerin, Tochter italienischer Saisonniers – tadellos in allen drei Landessprachen –, repräsentiert Alleva in der männlich geprägten Gewerkschaftswelt Frauen und Migranten. Unter ihr ist die Unia weiblicher, vielfältiger und offener für Arbeitnehmende aus den Dienstleistungsberufen geworden. Seit vergangenem Jahr gibt es in der Unia-Geschäftsleitung erstmals eine Frauenmehrheit.

In einigen Bereichen haben Alleva und ihre Mitstreiter den vollen Teuerungsausgleich und reale Lohnerhöhungen bereits ausgehandelt. Einige Arbeitgeber sträuben sich weiterhin. Alleva wird dranbleiben – kämpferisch und hartnäckig, doch immer im Einsatz für die Sache, nie für die eigene Profilierung.

Die Mitstreiter

Drei Jahre lang hat Vania Alleva die Unia zusammen mit Renzo Ambrosetti geleitet. Sie beschreibt ihre Co-Leitung als «bereichernd und vertrauensvoll». Heute sind ihre engsten Wegbegleitenden in der Unia-Geschäftsleitung die beiden Vizes Véronique Polito und Martin Tanner, Bauchef Nico Lutz, Gewerbechefin Bruna Campanello, Mitgliederservices-Chefin Renate Schoch sowie Industriechef Yves Defferrard.

Alleva übernahm die Verantwortung für den gewerkschaftlichen Aufbau in den Dienstleistungsberufen von Andreas Rieger, dem damaligen Co-Präsidenten der Unia. Rieger war über viele Jahre ein zentraler strategischer Kopf der Schweizer Gewerkschaftsbewegung – und ist es noch. Auch mit ihm arbeitet sie seit Jahrzehnten intensiv zusammen.

Die beiden haben mit Pascal Pfister das Buch «Verkannte Arbeit» über den privaten Dienstleistungssektor geschrieben. Pfister war bis 2016 Gewerkschaftssekretär der Unia und ist heute Geschäftsleiter der Schuldenberatung Schweiz.

Eine intensive Zusammenarbeit verbindet Alleva auch mit SGB-Chefökonom Daniel Lampart und dem heutigen SGB-Präsidenten und SP-Nationalrat Pierre-Yves Maillard. Er ist ein wichtiger Mitstreiter bei vielen Themen wie dem Teuerungsausgleich, der AHV-Reform oder dem EU-Rahmenabkommen.

Zu Allevas Vorbildern zählen die Gewerkschafterinnen Christiane Brunner und Ruth Dreifuss: «Brunner, die den Patriarchen der Gewerkschaft Smuv den Weg wies. Und Dreifuss, deren Engagement in Migrationsfragen unerschütterlich ist.»

Die Familie

Allevas Ehemann arbeitet nicht bei den Gewerkschaften. «Er trägt mein Engagement aber voll mit», betont sie. Ihre Eltern kamen als Saisonniers in die Schweiz. Der Vater arbeitete als Lastwagenchauffeur, die Mutter als Schneiderin und Putzfrau.

Die Kinder sollten es einmal besser haben. Es war die Zeit der Schwarzenbach-Initiative, die das gesellschaftliche Klima in der Schweiz auf Jahre hinaus prägte. «Meine Herkunft ist mir sehr bewusst, ich fühle mich ihr verpflichtet», sagt Alleva. Früh habe sie ein Bewusstsein dafür entwickelt, dass nicht alle die gleichen Chancen haben, dass es soziale Ungerechtigkeiten gibt. Aber es wuchs auch die Überzeugung in ihr, dass man die Welt verändern könne.

Die Karriere

Nach der Matur in Zürich geht Alleva zum Studium nach Rom. Dort studiert sie Kunstgeschichte. In Italien toben zu der Zeit Studentenproteste. Rückblickend sagt Alleva, dass sie diese Erfahrungen politisiert hätten. Nach ihrer Rückkehr nach Zürich arbeitet sie zunächst am italienischen Liceo linguistico und absolviert dann ein Nachdiplomstudium in interkultureller Kommunikation in Luzern. Sie tritt ihre erste Stelle bei der Unia-Vorgängerorganisation GBI als Migrationsexpertin an.

Gefördert wird sie von Rita Schiavi, langjährigem Mitglied der GBI-Geschäftsleitung und später auch der Unia. Schiavi ist damals die einzige Frau an der Spitze der GBI. «Eine ihrer Stärken war es, Talente zu erkennen und ihnen auch Verantwortung zu übertragen», erinnert sich Alleva. Dank Schiavi wird Alleva Verantwortliche für die Migrationspolitik der GBI und damit auch Präsidentin der Migrationskommission des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB). Dort arbeitet sie sehr eng mit SGB-Chefökonom Serge Gaillard zusammen, dem späteren Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung.

Der komplette Artikel von Anne Barbara Luft

Bild: BILANZ – Quelle: keystone-sda.ch

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