Was tun, wenn scheinbar keine Zeit für Sport bleibt?

Fokus

NZZ Magazin – Regina Senften

Wer sich flexibel und kompromissbereit zeigt, profitiert sportlich womöglich von der Zeitnot.

Wer kennt es nicht? Auf einmal präsentiert sich das Wochenpensum überladen. Kranke Familienmitglieder, erhöhte Arbeitsbelastung oder weitere ungeplante Verpflichtungen strapazieren das Zeitbudget.

Das sonst regelmässig in den Alltag integrierte sportliche Training steht auf der Kippe. Ausdauereinheiten in Laufschuhen, im Sattel oder im Schwimmbad liegen plötzlich ebenso wenig drin wie der Gang ins Fitnessstudio.

In dieser Situation bietet sich der K4-Merksatz an:
  • Kopf umstellen
  • Kompromisse suchen
  • Kreativität ausleben
  • Konsequenzen bedenken
«Musts» auf null setzen

Psychologische Ratgeber argumentieren, «keine Zeit» bedeute «keine Priorität». Doch jeder Mensch hat in seinem Leben schon erfahren, dass in gewissen Momenten der Freizeitsport hinter andere Prioritäten zurücktreten muss, weil der Tag nun mal bloss 24 Stunden hat.

Schritt eins daher: Sich im Kopf ganz klar und deutlich vom geplanten Sportprogramm der nächsten Tage oder Wochen verabschieden und das sportliche Mindset für die Dauer der absehbaren Zeitnot auf null setzen. Leerräume nehmen Druck und schaffen Raum für die Ausgestaltung eines gewinnbringenden, der Situation angepassten «Plan B».

Schritt zwei beinhaltet Fragen wie: Welche Zeitfenster lassen sich fürs Training komfortabel einrichten? Dabei soll für einmal mit Mini-Einheiten von bloss 30 Minuten kalkuliert werden! Lässt der Stundenplan mehrere derartige Einheiten zu? Oder ist ein einziges Zeitfenster von längerer Dauer leichter realisierbar?

Schritt drei: Was möchte ich in der geringen Trainingszeit gerne erreichen? Den Kopf durchlüften? Glückshormone im Körper spüren? Etwas für die Gesundheit tun? Den Trainingsstand konservieren? Wettkampfathleten, die auf ein Ziel hinarbeiten, werden sich überlegen: Welche Schlüsseleinheiten stünden derzeit an? Sind sie zwingend, oder vertragen sie einen Aufschub?

Gute Kompromisse wählen

Die Antworten auf die obengenannten Fragen bilden die Grundlage für das Alternativprogramm, den Plan B. Dass dieser nicht ohne Kompromisse auskommt, liegt auf der Hand. Vergessen soll man für einmal die Forderung, das Beste aus der Situation zu machen. Bei grossem Druck reicht es, bloss etwas Gutes zu erreichen.

Dazu muss man wissen: Auch ein Training von 30 Minuten kann, korrekt ausgeführt, hocheffektiv sein. Lauf- und Schwimmsportlerinnen setzen etwa wertvolle Reize, wenn sie ihren sorgfältig aufgewärmten Körper rund fünfzehn bis zwanzig Minuten lang harten, sehr fordernden Intervallen aussetzen.

Ideen gefragt? Mehrfach einen Hügel hoch sprinten, dazwischen locker zurück traben. Oder auch: Steigerungsläufe auf der Bahn oder auf dem Laufband absolvieren. Für Schwimmfans: Beinschlag-Intervalle oder Crawl-Sprints mit minimaler Atmung. Ebenso gewinnbringend nehmen sich Serien in den eigenen vier Wänden aus: intervallgesteuertes Krafttraining mit dem eigenen Körpergewicht oder mit Kleingeräten. Ganz wichtig bei hochintensiven Einheiten: gewissenhaft aufwärmen!

Kreativ und flexibel bleiben

Nur weil man seinen Körper während ein, zwei Wochen nicht im gewohnten Umfang fordert, bedeutet dies nicht, dass über Monate aufgebaute Parameter wie Ausdauer, Kraft, Beweglichkeit und neuro-muskuläre Koordination gleich ins Bodenlose absacken. Wer mit Kreativität und Flexibilität auf Zeitnot reagiert, erreicht vielleicht sogar das Gegenteil. Kurze, hochintensive Einheiten fördern gerade in Ausdauersportarten nachhaltig die Schnelligkeit.

Dank der Anschaffung neuer Kleingeräte wie beispielsweise Theraband, PET-Flaschen als Hantelersatz, Balance Board oder Springseil lassen sich Kraft, Beweglichkeit und Koordination mit etwas Phantasie an jedem erdenklichen Ort praktizieren: daheim, in Büronähe, sogar im öV. Neue Reize beugen der Stagnation vor, fordern das neuro-muskuläre Zusammenspiel und verschaffen Kopf und Körper frischen, motivierenden Wind.

Konsequenzen abwägen

Bei aller Sportbegeisterung muss man sich in zeitlich belastenden Lebensmomenten immer auch ehrlich fragen, ob alternative Trainingsformen Gutes bewirken – oder kontraproduktiv sind. Wer mit dem Kopf nicht bei der Sache ist oder sich selbst nach dem Aufwärmen unmotiviert fühlt, soll das Training mit gutem Gewissen abbrechen.

Manchmal bringen ein paar Regenerationstage, vielleicht gepaart mit dem lustvollen Konsumieren von sportlicher Fachliteratur, den Körper genauso weiter wie zusätzliches Training. Unter dem Strich ist nichts ärgerlicher, als wenn einen eine Krankheit oder Verletzung am Ende um Wochen zurückwirft.


Ernährung vor dem Training

Anders als Spitzensportler, die ihre Tagesabläufe manchmal scherzhaft mit «train – eat – train – sleep» zusammenfassen, müssen Hobbysportlerinnen eine Vielzahl von Aufgaben in einen Tag packen. Deshalb fallen die Trainingseinheiten oft auf Randstunden oder in die Mittagszeit. Kein Wunder, dass sich in diesem Zusammenhang Fragen nach der Nahrungsaufnahme stellen. Wann essen? Und vor allem: was?

Trainings mit vollem Magen fühlen sich selten gut an: Saures Aufstossen, Seitenstechen und Kurzatmigkeit können im ärgsten Fall dazu führen, dass man die sportliche Betätigung abbrechen oder die Intensität stark reduzieren muss.

Im Idealfall liegt die letzte Mahlzeit vor einem Training gut zwei Stunden zurück, bei intensiven Einheiten dürfen es auch mehr sein. Um keine bösen Überraschungen zu erleben, sollte man im Vorfeld auf stark fett- und säurehaltige Speisen verzichten.

Geht es direkt im Anschluss an die Berufs- oder Familienarbeit und folglich vor einer Hauptmahlzeit zum Sport, kämpft man häufig mit einem kleinen Energieloch. Damit der innere Schweinehund in dieser Situation keinen Sieg davonträgt, ist es empfehlenswert, einen leichten, klug gewählten Snack einzunehmen: Schnell verdauliche Kohlenhydrate wie auch ein wenig Zucker geben dem Körper sofort Energie und halten die Motivation fürs Training hoch.

Ein fettarmer Riegel, eine reife Banane, auch eine Maiswaffel oder ein Stück Brot mit herzhaftem Aufstrich oder salzige Grissini leisten gute Dienste.

Zum Trinken gilt es, kohlensäure- sowie säurefreie Getränke zu wählen oder zu einer warmen Tasse Tee, Kaffee oder Bouillon zu greifen. Koffein- und Energy Drinks sollte man nur dann konsumieren, wenn man den Wachmacher gut verträgt und einen spürbaren Kick fürs Training nötig hat. Koffeinsensitive Personen lassen abends besser die Finger davon, um die Schlafqualität nicht zu beeinträchtigen.

Erfahrene Athleten und Athletinnen, die ihren Sport frühmorgens ausüben und in niedrigen Intensitäten unterwegs sind, gehen auch schon mal nüchtern zum Training und kurbeln auf diese Weise den Fettstoffwechsel an.

Der Artikel von Regina Senften

Bild: Westend61 / Getty

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