Republik – Olga Chyzh
Warum unterstützen Millionen von Russinnen weltweit den Krieg, obwohl sie Zugang zu allen Informationen haben? Die Propaganda des Kreml ist nicht der wichtigste Grund.
Die Brutalität der russischen Invasion in die Ukraine schlägt Wellen weit über das eigentliche Kampfgebiet hinaus. Der charismatische ukrainische Präsident Wolodimir Selenski erobert die Herzen der westlichen Öffentlichkeit, die ihre Regierungen lautstark auffordert, die Ukraine mit Waffen und humanitärer Hilfe zu unterstützen.
Der wahre Wendepunkt war jedoch das Massaker im Kiewer Pendlervorort Butscha, der einen Monat lang von russischen Truppen besetzt worden war. Durch die grauenerregenden Bilder von Kleinstadtstrassen, die mit Leichen brutal hingerichteter Zivilisten – viele mit gefesselten Händen – übersät waren, erhielt das Mediennarrativ eine andere Bedeutung: Hier wird ein Krieg zwischen Gut und Böse ausgetragen.
Paradoxerweise stellen sich nicht alle auf die Seite der «Guten»: Viele russischsprachige Menschen im Ausland tun die Beweise für das Massaker von Butscha als «Inszenierung» ab und äussern mit Nachdruck ihre Zustimmung zu diesem Krieg. In Berlin und etlichen anderen europäischen Städten gingen Kriegsbefürworterinnen in beträchtlicher Zahl auf die Strassen, schwangen russische Flaggen und malten sich den zum Symbol der Invasion gewordenen Buchstaben «Z» auf ihre Gesichter. Sogar in der Ukraine gibt es Russlandunterstützer, die Informationen über ukrainische Ziele preisgeben.
Dass in Russland viele hinter dem Regime und seinem Krieg stehen, lässt sich mit Informationsdefiziten, einem verzerrten Antwortverhalten bei Befragungen und der Angst vor Repression erklären. Doch in Berlin haben russischsprachige Menschen keine Verfolgung zu befürchten und können auf aktuelle, korrekte und geprüfte Berichterstattung zugreifen.
Wie kommt es, dass diese Leute für den Krieg demonstrieren? Und erst recht fragt man sich: Warum gibt es sogar in der Ukraine noch Menschen, die weiterhin zu Russland halten?
Die Propaganda aus dem Kreml reicht als Erklärung nicht aus. Diese Propaganda übt ihren Einfluss aus, aber die wahren Ursachen reichen mindestens bis zum Aufstieg und letztlich bis zum Sturz der Sowjetunion zurück. Dazu möchte ich eine ganz persönliche Geschichte erzählen.