Sexismus – Isch ja nume es Witzli gsi! – #ErfürSie

Fokus

Ein Beitrag von Stéphanie Berger – Im letzten Sommer bekam ich einen handgeschriebenen Brief von einem Mann, inklusive Foto, in dem er freundlich und persönlich aus seinem Leben schrieb und sich vorstellte.

Was er von mir wollte, würde ich auf Seite zwei erfahren: Er sei übergewichtig und möchte abnehmen. Und wenn er sein Wunschgewicht erreicht hat, würde er mich gerne auf sein Boot einladen und den ganzen Tag mit mir Sex haben wollen!

Ich war schockiert.

Sexismus findet auf vielen verschiedenen Ebenen statt. Mal ganz offensichtlich durch Sprache und Berührungen, mal ganz fein auf rein energetischer Ebene; sei es mit Blicken die ausziehen.

 

Seit ich mit 17 Jahren Miss Schweiz wurde, bin ich mit Sexismus konfrontiert. Jede dritte Frau soll angeblich mit sexueller Nötigung, Belästigung und Missbrauch konfrontiert sein. Und jedes Mal, ist es einmal zu viel!

Ich habe Werbeverträge nicht bekommen und darf an einem gewissen Comedy Festival nicht mehr auftreten, weil Männer ihre Machtpositionen missbraucht und angenommen haben, ich wäre käuflich. Meine Reputation ist dahin, gelte ich in deren Kreisen nun als kompliziert und schwierig. Zu oft: Unnötige Berührungen, plumpe Sprüche, als Objekt gesehen werden und selbst auf LinkedIn, einer Businessplattform werde ich von fremden Männern angeschrieben mit: Ciao Bella, Na du Schöne, mal Lust auf Kaffee? Muss ich das als attraktive Frau hinnehmen? Sicher nicht!

 

Die Zeiten haben sich zugunsten von uns Frauen geändert. Spätestens seit der #metoo Debatte sollte es jedem Mann mittlerweile klar sein, dass Übergriffe und Grenzüberschreitungen nicht mehr tolerierbar sind.

Heute als gestandene und selbstbewusste Frau weiss ich mich zu wehren und weise jeden Mann freundlich aber klar darauf hin, wenn es sich um sexistische Bemerkungen handelt und ich diese als respektlos empfinde. Und ja, viele Männer machen diese Sprüche nicht aus Boshaftigkeit. Sie wissen es einfach nicht besser und denken sogar, sie wären witzig und würden Komplimente verteilen. Und genau da liegt das Problem. Sie begreifen es nicht. Nach jeder Zurechtweisung die ich einem Mann gegeben habe, kam immer die gleiche Antwort: ‘Ach stell dich doch nicht so an. Es isch doch nur es Witzli gsi!’

 

Nein. Es isch nöd nume es Witzli gsi! Ich möchte zu keinem Zeitpunkt als Objekt gesehen, als Projektionsfläche benutzt und dementsprechend behandelt werden. Es ist entwürdigend, demütigend und schlicht und einfach respektlos!

Kurz etwas Geschichte, damit man mich vielleicht etwas besser versteht, warum ich so für dieses Thema brenne. Ich möchte an unseren Status von damals erinnern. Wir Frauen hatten dem Mann gehorsam zu sein und zu dienen. (Bis ins 19 Jahrhundert hatte der Mann das Recht die Frau einzusperren, wenn sie sich ihm sexuell verweigerte). Wir sollten die Kinder erziehen und hatten keinerlei Rechte! Wir waren Mittel zum Zweck und nur Objekte. Ihr liebe Männer, geniesst bis heute alle erdenklichen Privilegien.

 

Ich bin alles andere als eine Feministin, aber ich bin zutiefst dankbar für die Frauenbewegung der letzten 250 Jahre. Dankbar jeder einzelnen Vorfahrin die für Freiheit und Gleichberechtigung gekämpft hat. Und dies unter widrigsten Umständen und nicht selten stand auf Widerstand die Todesstrafe. Man bedenke, dass dieser Blog Eintrag in einem anderen Land, nicht weit entfernt, sogar für mich lebensbedrohlich wäre…

Zurück zum Thema. Gestern erreichte mich diese Mail (Ausschnitte):

Ups 😬 Skorpion – Frauen sind ganz speziell.
Der Stachel im Hintern ist nur für andere bestimmt… und wehe, man tritt ihr auf die Zehen.
Vergessen, unwichtig.
Ich liebe dich (leider nur platonisch) seit ich dich wahrgenommen habe. 
Deine Fotos sind toll, von der „Lady“ über „sexy“ bis zum „Vamp“ und deine Muskeln sind bestimmt vom oft trainieren.  Mein Gott, das Ärschli auf dem letzten Foto. Mega (sorry – Männer halt) Der pastellweise Blaser (ecru??) in dem ein wunderschöner Busen etwas hervor schaut. Mhhhh

 

Ich habe diese Mail an sechs verschiedene Männer geschickt, die ich sehr schätze und gebeten mir Feedback zu geben, wie man darauf reagieren soll. Vier von sechs hatten die gleiche Message: Er ist bloss ein Spinner und harmlos und auf keinen Fall reagieren. Richtig! Ich kann nicht reagieren, ohne ihm die gewünschte Aufmerksamkeit zu geben. Würde ich es tun und ihm die Leviten lesen, was wäre wohl die Antwort? Ich würde völlig überragieren, alles falsch interpretieren, ist ja nur nett gemeint. Also gerne wieder in die Schublade: Schwierig, kompliziert, zickig.

Bei diesem Feedback haben die wenigsten auf Anhieb begriffen, dass es sich um Sexismus handelt und einfach nur widerlich ist. Ich werde auf Brüste und Füdli reduziert. Ein Objekt der Begierde.

 

Was ist die Lösung? Du als Mann bist die Lösung!

Wir brauchen Euch Männer. Mehr denn je. Ich brauche Euch. Ihr müsst für mich und uns Frauen einstehen. Ihr müsst unsere Würde wieder herstellen. Das können wir nicht allein. Und ich wünsche mir Männer, die schneller begreifen, dass solche Mails sexistisch sind und ohne Zögern anbieten: Darf ich für dich antworten?

Liebe Männer, wenn ihr euch gegenseitig nicht massregelt und Grenzen aufzeigt, wird sich in Sachen Sexismus nicht viel ändern. Wenn ein Mann einem anderen Mann eine Lektion in Sachen Respekt erteilt, dann hat das Power und kann weitere sexistische Handlungen verhindern.

Ich bin immer noch auf der Suche nach Männern die wie die Feuerwehr ‘Schutz und Rettung’ aktiv leben. Schutz im Sinne von: Wenn eine Frau in meiner Gesellschaft ist, kann sie sich sicher und geborgen fühlen. Rettung im Sinne von: Wenn eine Frau mit Sexismus konfrontiert ist, stehe ich für sie ein. Ich spreche von Ehrenmännern und Kavalieren. Von alten Werten, die durch die Emanzipationsgeschichte in Vergessenheit geraten sind, die aber gebraucht werden.

So wie mir geht es tausenden von Frauen. Es wäre schön, gäbe es eine Plattform wo solche Schreiben öffentlich gemacht werden würden und Du lieber Mann, die Möglichkeit hast, denen die Schande über euer Geschlecht bringen, eine Lektion zu erteilen.

Also, wer von euch möchte mein Held und Helden von anderen Frauen werden und uns in solchen Situationen unterstützen? Bitte schreibt mir über info@stephanie-berger.ch. Gerne baue ich ein solches Netzwerk auf, so dass ich anderen Frauen diese Hilfestellung anbieten kann.

Lieber Mann, Danke, dass Du mitmachst bei einer neuen und so gebrauchten Bewegung: #ErfürSie  

Ich stehe ein für meine Frau, meine Schwester, meine Mutter und meine Kollegin. Für jede Frau!

 

Der Original-Artikel

 

Ein Beitrag zum Thema auf SRF

Sponsoring