Mit Haaren gegen Ölkatastrophen

Fokus

Badener Tagblatt – Sarah Kunz

So hilft ein Friseurbesuch im «Coiffure Papillon» bei der Rettung der Weltmeere.

Für die meisten Menschen sind abgeschnittene Haare nur Abfall.

Doch ein Friseur aus Marseille erkannte, dass man sie zur Säuberung der Meere nutzen kann und steckte mit seiner Idee Coiffeure aus ganz Europa an – auch einen Salon in Fislisbach.

Eine wichtige Funktion unseres Haares ist, das natürliche Fett der Kopfhaut aufzusaugen. Deshalb gehören menschliche Haare zu den saugfähigsten Materialien der Welt – ein Kilogramm Haar kann rund acht Liter Fett oder Öl aufnehmen.

Diese natürliche Eigenschaft kommt auch im Kampf gegen die Verschmutzung unserer Weltmeere zum Tragen. Denn dank dieser Fähigkeit kann abgeschnittenes Haar dazu eingesetzt werden, Ozeane, Flüsse und Seen von Sonnencreme oder ausgelaufenem Öl zu reinigen.

Die Idee dazu stammt von Thierry Gras, einem Friseur aus Marseille in Frankreich. Er ist der Gründer der Organisation Coiffeures Justes. Der Verein sammelt abgeschnittene Haare von Coiffeursalons aus ganz Europa, reinigt sie und stopft sie anschliessend in alte Stützstrümpfe.

Die daraus entstehenden Schläuche werden dann zusammengebunden und bei Ölkatastrophen im Meer eingesetzt, um ausgelaufenes Öl zu binden. So waren die Haarfilter schon in Malaysia oder Mauritius im Einsatz, als sich dort durch verunglückte Tanker grosse Ölteppiche bildeten.

Lange war der seit 2015 existierende Verein nur in Frankreich bekannt. Jetzt – dank einer «Galileo»-Sendung anfangs dieses Jahres – ist der Trend auch in der Schweiz angekommen. Im Kanton Aargau zählen mittlerweile drei Geschäfte zu den Mitgliedern von «Coiffeures Justes». Eines davon ist neu auch der Salon Coiffure Papillon aus Fislisbach.

Statt Chemie: Salon färbt nun auch natürlich

Inhaberin Monique Granacher ist von den Haarfiltern begeistert: «Was mir am Projekt so gefällt, ist, dass wir damit einen Beitrag zu einer nachhaltigeren Welt leisten können», sagt sie. Nachhaltigkeit ist im «Coiffure Papillon» schon seit Jahren ein grosses Thema.

«Als ich auf den Malediven in den Ferien war, habe ich mit eigenen Augen gesehen, wie viele Plastiksäcke und Plastikflaschen diesen paradiesischen Ort verschmutzen», erzählt Granacher. «Das machte mich nachdenklich, was in meinem Kopf einen Wandel auslöste.»

Bereits auf dem Rückflug hat sich die Friseuse überlegt, wie sie zu einer saubereren Umwelt beitragen könnte. Sie sagt:

«Wenn wir Coiffeure Haarfarbe oder Bleichmittel verwenden, spülen wir jeweils viel Gift die Rohre hinunter. Das wollte ich ändern.»

Also stellte Granacher ihre Shampoo- und Haarpflegeprodukte um, verbannte Mikroplastik komplett aus ihrem Sortiment und verwendet seither nur noch Produkte ohne chemische Mittel wie Parabene, Sulfate oder Silikone. Ergänzend zum Haarefärben mithilfe von chemischer Haarfarbe, bietet Granacher nun auch Farben auf natürlicher Basis an.

Als Granacher dann im Sommer auf einen Beitrag über eine Coiffeuse im Kanton St. Gallen stiess, die bereits Mitglied des Vereins Coiffeures Justes war, eröffnete sich der Fislisbacherin eine weitere Möglichkeit, Gutes zu tun. «Ich war sofort davon angetan, musste mich zuerst aber weiter informieren, weil die Website der Organisation nur auf Französisch war», sagt sie und lacht.

Gesagt, getan: Im August dieses Jahres bestellte sie sich in der Zentrale in Frankreich ihren ersten sogenannten «Sac à Cheveux» – eine nachhaltige Papiertasche – für einen Euro. Mit 25 Euro Jahresbeitrag ist sie zusätzlich Mitglied des Vereins.

Experiment beweist: Die Haarfilter funktionieren

Seither ist Granacher noch immer daran, diesen ersten Sack zu füllen – mittlerweile ist er zur Hälfte voll. Denn wenn die Kundin nicht gerade einen radikalen Schnitt wünscht, ergibt sich aus einem Haarschnitt gerade einmal zwei Gramm Haare. Wenn der Sack voll ist, schickt Granacher ihn dann nach Frankreich, der Versand kostet 45 Franken. «Das ist es mir aber wert, wenn ich dafür Haar für Haar einen Beitrag leisten kann», sagt sie.

Bei der Kundschaft kommt das Projekt gut an. Granacher sagt:

«Die Kundinnen und Kunden sind neugierig, fragen nach und machen automatisch mit. Alle hier finden es lässig, dass ihr Haar wiederverwertet wird.»

Granacher hebt übrigens seit einiger Zeit ein Bündel Haare auf, damit sie demnächst ein Experiment von «Coiffeure Justes»-Gründer Thierry Gras nachstellen kann. Im Videobeitrag von «Galileo» beweist er nämlich, dass seine Methode tatsächlich funktioniert: Dafür tunkt er zu einem Zopf geflochtenes Haar in einen mit Wasser und Hydrauliköl gefüllten Behälter. Kaum berührt der Zopf die Wasseroberfläche, saugen die Haare das Öl auf – die Ölschicht verschwindet, das Wasser ist wieder klar.

Der ganze Artikel mit Video

Bild: Sandra Ardizzone

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