Jede dritte Schweizerin reduziert in der Perimenopause ihr Pensum, pausiert oder kündigt gar, das zeigt eine neue Studie. Was Frauen im Job zu schaffen macht, erzählt die Autorin Jeanette Kuster
Jeanette Kuster (50) ist Journalistin, Kommunikationsexpertin, Yogalehrerin, Menopause-Coach und Autorin des Ratgebers «Mittendrin – Die Perimenopause meistern. Gespräche und Erfahrungsberichte».
Die Wechseljahre entwickeln sich zwar langsam vom Tabu zum Gesprächsthema. Am Arbeitsplatz hingegen verschweigen die meisten Frauen lieber, dass sie sich weniger gut konzentrieren können, mehr Zeit für dieselben Arbeiten benötigen als früher und das Vertrauen in ihre Fähigkeiten verlieren. Auch weil sie fürchten, deswegen stigmatisiert oder benachteiligt zu werden.
Es ist ein Tabu mit Folgen: Jede dritte Schweizerin reduziert während der Wechseljahre ihr Pensum, muss im Job pausieren oder kündigt gar. Das zeigen neue Zahlen der ersten schweizweiten Untersuchung zum Thema. Über 2200 Frauen nahmen an der Menosupport-Suisse-Studie teil, die von der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin gemeinsam mit dem Menopausenzentrum des Inselspitals Bern und dem Schweizer Start-up The Women Circle AG durchgeführt wurde. Konkret:
«Die Wechseljahre sind keine Krankheit, aber sie können krank machen und Frauen im Alltag, in ihrer Beziehung und im Job beeinträchtigen», sagt Petra Stute, stellvertretende Chefärztin an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde am Inselspital Bern. Allerdings gebe es gute Möglichkeiten, die Symptome in den Griff zu bekommen (zum Interview «Beim Gewicht haben Frauen am stärksten das Gefühl, die Kontrolle über alles zu verlieren»).
Joëlle Zingraff, Co-CEO von The Women Circle AG, ergänzt: «In einer Zeit des Fachkräftemangels und des demografischen Wandels können wir es uns schlicht nicht leisten, erfahrene Mitarbeiterinnen durch mangelnde Unterstützung zu verlieren.» Es koste nicht viel, die Situation für die Frauen zu verbessern. Oft fehle aber gerade im Management das Bewusstsein für die Wechseljahre.
Aktuell haben erst wenige Firmen in der Schweiz die Wechseljahre auf dem Radar – in der Romandie laut Studie etwas mehr als in der Deutschschweiz. Das liegt auch daran, dass zwei von drei Frauen selten oder nie im Job über das Thema reden. Hinzu kommt, dass sich 30 Prozent der Befragten kaum bis maximal mittelmässig mit den Symptomen auskennen.
Dass auch Gehirnnebel und plötzliche Ängste auftreten können wie die Furcht, vor Menschen zu reden, ist vielen nicht bewusst. Oder dass sich Symptome schon Anfang 40 bemerkbar machen, also Jahre vor der Menopause.
Dass das zusätzlich verunsichert, weiss auch die 50-jährige Journalistin und Autorin Jeanette Kuster – aus eigener Erfahrung und aus Gesprächen mit Frauen, die ihr für ihren neuen Ratgeber «Mittendrin – Die Perimenopause meistern» ungeschönt Auskunft gegeben haben. Hier erzählt Kuster, was im Job besonders belastend ist.
«Am schlimmsten finde ich das Unberechenbare. Ich kann wochenlang super schlafen, so wie früher immer, und dann – Päng! – liege ich plötzlich zwei Nächte hintereinander stundenlang wach. Ich nehme zwar inzwischen Hormone gegen meine Wechseljahrbeschwerden, und es geht mir um Welten besser als noch vor zwei, drei Jahren. Aber solche Phasen kommen trotzdem vor. Dann musst du schauen, wie du den Arbeitstag überstehst.
Ich arbeite 70 Prozent in einer Kommunikationsabteilung und leite dort das Mitarbeitendenmagazin. Eine Zeit lang fand ich es sehr herausfordernd, meine gewohnte Leistung zu bringen – wegen Beschwerden wie Brain-Fog und weil ich so erschöpft war. Heute läuft es wieder besser. Aber es gibt Momente, da funktioniert mein Gedächtnis plötzlich nicht mehr richtig
Einmal konnte ich mich zum Beispiel nicht mehr an den Namen meiner Arbeitskollegin erinnern. Ich wollte ihr eine Mail schicken, doch mir fiel partout der Name nicht mehr ein. Am Ende musste ich im Teamchat nachschauen, wie sie heisst. So was ist mir noch nie passiert! Eigentlich rede ich offen über die Perimenopause, aber das habe ich niemandem erzählt, weil es irgendwie peinlich war. Ich hoffe einfach, dass ich nie einen ähnlichen Aussetzer habe, wenn ich gerade etwas vortragen muss. Man wirkt sonst sofort inkompetent und unvorbereitet.»
«Dank der Recherche für mein Buch weiss ich, dass es vielen Frauen ähnlich geht: 40 bis 60 Prozent leiden an Konzentrationsstörungen in der Perimenopause. Manche entwickeln auch seltsame Ängste. Sie fürchten sich etwa plötzlich davor, vor Leuten zu sprechen und Präsentationen zu halten. Viele haben Angst, ihren Job zu verlieren wegen solcher Beschwerden.
Oft ist den Frauen gar nicht bewusst, dass das Wechseljahrsymptome sind. Das war bei mir anfangs auch so. All die diffusen Beschwerden konnte ich erst rückblickend mit der Perimenopause in Verbindung bringen.
Ich war gegen Mitte 40 fitter als je zuvor. Und dann, mit 47, hat es mich komplett lahmgelegt. Ich hatte wie aus dem Nichts keine Energie mehr und war seltsam niedergeschlagen. Das passte überhaupt nicht zu mir. Zuerst dachte mein Arzt, das sei eine depressive Verstimmung. Mir war auch ständig schwindlig, und ich hatte phasenweise ein Pfeifen im Ohr. Bis ich dank eigener Recherchen herausgefunden habe, was mit mir los ist, ist fast ein Jahr vergangen. Ich war so oft beim Arzt in der Zeit, aber nie wurde das Thema Wechseljahre angesprochen.
Als ich meinem Hausarzt sagte: ‹Jetzt weiss ich, was mit mir los ist: Es ist die Perimenopause!›, meinte er, dafür sei ich viel zu jung. Tatsächlich dauert die Perimenopause, diese Phase vor der letzten Periode, aber bis zu zehn Jahre. Sie startet also oft schon Anfang 40, bei einigen sogar noch früher. Und weil die Hormone in dieser Zeit so stark schwanken, sind die Symptome dann meist ausgeprägter als nach der Menopause.
Natürlich haben nicht alle Frauen gleich starke Wechseljahrbeschwerden. Aber es gibt so viele, die leiden und entweder nicht wissen, was mit ihnen los ist, oder sich nicht trauen, das anzusprechen. Mir fällt es unterdessen leicht, darüber zu reden. So erzähle ich im Büro immer, wenn ich eine miese Nacht hatte. Aber ich glaube, es ist den Leuten nicht bewusst, wie krass es wirklich sein kann – gerade wenn Frauen jede Nacht wach liegen.
Ich bin an solchen Tagen einfach froh, dass ich eine halbe Stunde später ins Büro oder eine Stunde früher nach Hause und dafür im Zug arbeiten kann. Das ist eine kleine Massnahme, die mir megaviel bringt. Ich hatte zwar lange ein schlechtes Gewissen, dass ich das in Absprache mit meiner Chefin so handhabe, aber das ist doch total dumm. Ich erledige ja meine Aufgaben trotzdem.»
«Nach miesen Nächten hilft es mir auch enorm, wenn ich Homeoffice machen und über Mittag eine halbe Stunde Yoga Nidra praktizieren kann. Danach bin ich erholter und kann mich deutlich besser konzentrieren. Aber wir haben Teamtage, an denen wir fix im Büro sein müssen, da ist das natürlich nicht möglich.
Eine Frau hat mir erzählt, sie hätte im früheren Job auch gerne mehr Homeoffice gemacht, um sich am Mittag hinzulegen. Sie hat nachts so starke Wallungen, dass sie meint, ihr Bett brenne. Aber sie befürchtete, sich lächerlich zu machen vor dem männlichen Management, also hat sie nie etwas gesagt.
Leider reagieren weibliche Vorgesetzte nicht zwingend verständnisvoller. Eine andere Frau hat mir verraten, sie habe ihrer Chefin ganz offen erzählt, dass sie nachts nicht mehr richtig schlafen könne, Konzentrationsschwierigkeiten und manchmal leichte Aussetzer habe. Die Vorgesetzte hatte überhaupt kein Verständnis dafür. Also hat die Frau gekündigt. Das kann ja nicht die Lösung sein.
Ich muss aber zugeben: Für Arbeitgeber ist es auch schwierig. Wenn man Frauen in der Perimenopause mehr Freiheiten gewährt, fühlen sich andere womöglich benachteiligt – das muss man auffangen. Auch sind Homeoffice und flexible Arbeitszeiten nicht in allen Berufen möglich; es braucht individuelle Lösungen.
Beginnt man, vermehrt darüber zu reden, besteht das Risiko, dass einige lieber gar keine Frauen mehr einstellen wollen, weil sie finden: ‹Erst werden sie schwanger oder können wegen der Mens nicht arbeiten, dann haben sie Wechseljahrprobleme.›
Ich rate den Frauen trotzdem, darüber zu sprechen. Die Wechseljahre sind immer noch ein Tabu, und im Gegensatz zu den Wallungen sind viele andere Symptome nicht so direkt sichtbar. Deshalb müssen wir das Thema in den Fokus rücken. Schliesslich betrifft es jede Frau früher oder später.»
Tagesanzeiger
Foto: Mikke Dinkel