Die grösste Zürcher Zunft will künftig Frauen aufnehmen

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20 Minuten – Mehr als drei Viertel der Mitglieder der Zunft zur Meisen haben der neuen Regelung zugestimmt, die auch Frauen in ihren Reihen erlaubt. Die Abstimmung war ein längerer Prozess, während dem viel diskutiert wurde.

Darum gehts
  • Bei der Zürcher Zunft zur Meisen dürfen zukünftig auch Frauen an den verschiedenen Traditionsanlässen teilnehmen.
  • Die grösste Zunft im Kanton hat dazu kürzlich eine Abstimmung durchgeführt, die bei über drei Viertel der Mitglieder Zustimmung gefunden hat.
  • Während einer Probezeit von fünf Jahren dürfen Frauen als «ständige Gäste» mitwirken.
  • Nach Ablauf der Übergangsphase müssen die Statuten geändert werden, damit Frauen als vollwertige Mitglieder aufgenommen werden können.

In der Zunft zur Meisen dürfen zukünftig nicht nur Zünftersöhne, sondern auch -töchter mitwirken. Das schreibt die grösste Zürcher Zunft am Samstagmorgen in einer Medienmitteilung. Auch externe Frauen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur oder mit engem Bezug zur Zunft seien willkommen. Für die Abstimmung setzte die Zunft ein freiwilliges Quorum von 75 Prozent Zustimmung. Dieses wurde an der Abstimmung mit 76 Prozent erreicht.

Frauen können damit als Gäste an den Aktivitäten der Zunft teilnehmen. «Damit sie als vollwertiges Mitglied aufgenommen werden, ist eine Statutenänderung erforderlich», sagt Zunftmeister Gustav von Schulthess gegenüber 20 Minuten. Diese soll in fünf Jahren erfolgen. «Die Übergangsphase erlaubt es, Erfahrungen zu sammeln. Insbesondere wird sie zeigen, wie gross das Interesse von Frauen, am Zunftleben teilzunehmen, tatsächlich ist.»

Langer Prozess bis zur brieflichen Abstimmung

Camille Lothe, Präsidentin der SVP Stadt Zürich, freut sich über die Entwicklung: «Ich liebe das Sechseläuten und wollte schon immer Mitglied einer Zunft werden. Es ist schön, dass nun eine Möglichkeit dazu besteht.» Es sei ihr aber wichtig, dass die Zunft zur Meisen sich eigenständig zu diesem Schritt entschieden habe. «Zünfte sollen weiterhin selbst entscheiden können, wen sie aufnehmen.»

Der brieflichen Abstimmung ging ein längerer Prozess voraus. Unter anderem wogen die Meisen-Zünfter an einem Diskussionsabend Vor- und Nachteile einer Änderung gegeneinander ab. Als Pro-Argumente wurden  die veränderte Rolle der Frauen in Familie, Gesellschaft, Politik und Wirtschaft, die Bereicherung für das Zunftleben, die Pflege und Weiterentwicklung von Tradition sowie die Stärkung des familiären Elements durch die Aufnahme von Zünfterstöchtern genannt. «An der Diskussionsrunde hat sich herauskristallisiert, dass wir zwar kein politisches Organ sind, aber trotzdem eine klare politische Position vertreten. Liberale Werte sind uns wichtig. Das bedeutet auch, dass wir Frauen nicht mehr ausschliessen wollen», sagt Zunftmeister Gustav von Schulthess.

Der Zunftmeister sagt gegenüber 20 Minuten, dass die Zunft zur Meisen mit der Neuregelung nichts präjudizieren möchte. «Wir wollten das Thema lieber früher angehen, als wenn wir plötzlich hinterherhinken, wenn andere Zünfte sich dazu entschliessen, Frauen aufzunehmen». Die Zünfte seien unabhängig voneinander, deswegen solle jede andere Zürcher Zunft selbstständig bestimmen, ob und wann sie ebenfalls Frauen stärker integrieren möchte.

Gustav von Schulthess verweist darauf, dass Frauen bereits im «Ancien Régime» an den Aktivitäten der Zunft teilnehmen konnten. In dieser Zeit war es den Frauen erlaubt, das Geschäft ihres verstorbenen Ehemanns zu übernehmen und an seiner Stelle in die Zunft einzutreten. Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts war es in der Zunft zur Meisen zudem möglich, dass ledige Töchter die Partizipationsscheine ihrer Väter und Grossväter übernehmen konnten. Die letzte Frau war bis ins Jahr 1924 eingetragen.

Der Artikel von Justin Arber

Bild: Matthias Spycher

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