Die ausbleibende Gleichstellung hat ihren Preis

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SRF – Es harzt an der Vereinbarkeit von Kind und Karriere hierzulande. Die Schweiz solle sich ein Beispiel an Schweden nehmen, erklären die Autorinnen einer neuen Studie.

Ein um ganze sechs Prozent höheres Bruttoinlandprodukt BIP – das würde für die Schweiz drin liegen, würden Frauen nach der Geburt eines Kindes in ähnlichem Umfang in die Arbeitswelt zurückkehren wie in Schweden. Die Schweiz könnte also nur gewinnen, wenn sie ihre Frauen stärker fördern würde – dies zeigt ein jüngst veröffentlichter Bericht des Verbands Advance und des Beratungsunternehmens McKinsey.

Dieser zeigt insbesondere auch die Unzufriedenheit bei hiesigen berufstätigen Kaderfrauen. Die Umfrage für den Bericht zeigt: Nach einer Babypause erleiden die Karrierechancen häufig einen Knick. Eine zufriedenstellende Work-Life-Balance ist kaum mehr möglich, so die Befragten.

Was machen demnach die Skandinavier, darunter der Gleichstellungs-Musterschüler Schweden, besser? Und woran harzt es hierzulande in Sachen Gleichstellung?

Fehlende Work-Life-Balance

Beim Blick auf die Umfrageergebnisse zeichnet sich ein Bild handfester Nachteile ab, die die Vereinbarkeit von Familie und Karriere stark beeinträchtigen.

Für viele ist eine fehlende Work-Life-Balance die grösste Herausforderung. Fast die Hälfte der Frauen gab an, dass diese für sie nach dem Unterbruch nicht mehr gestimmt hat. Sie wünschen sich ein Teilzeitpensum – auch in Führungspositionen. Das aber kommt häufig gar nicht erst infrage – und sei es «nur» ein Tag weniger pro Woche.

Aber auch «tief verwurzelte kulturelle Überzeugungen» hindern die hiesigen Frauen gemäss der Befragung an einer gleichberechtigten Teilnahme am Arbeitsmarkt, so die Expertinnen von Advance und McKinsey. Die Mütter geben an, sich stigmatisiert zu fühlen wegen ihrer Berufstätigkeit. Der Gedanke, dass es Kindern schlechter geht, die tagsüber nicht alleine von der Mutter versorgt werden, hält sich demnach hartnäckig.

Dabei hätten mehrere internationale Studien ergeben, dass das Wohlbefinden von Kindern gar gesteigert werden kann, wenn die Mutter berufstätig ist, so die Gleichstellungs-Expertinnen.

Ganz anders ist die Situation in Schweden. Die Vereinbarkeit von Familie und Karriere sei dort stärker gegeben. Insgesamt würden die skandinavischen Länder besser abschliessen in internationalen Rankings, wenn es um die Gleichstellung unter den Geschlechtern geht.

Die kulturellen Unterschiede zwischen Schweden und der Schweiz hat auch Anna Mattson von McKinsey festgestellt. Sie ist eine der Verfasserinnen des White Papers. In Schweden aufgewachsen, lebt sie nun schon seit zehn Jahren in der Schweiz.

Die Kultur hier sei grundsätzlich konservativer, so Mattson. «Das Wort Rabenmutter gibt es in den meisten anderen Ländern gar nicht. Wenn eine Frau hier ein Kind hat, geht man häufig davon aus, dass sie nicht genau so Karriere machen will wie ein Mann.»

Karrierekiller Teilzeit?

Und eine weitere Schweizer Besonderheit betont Mattsson: das Thema Teilzeit. In der Schweiz lasse sich beobachten, wie viele Frauen nach einem Karriereunterbruch das Pensum runterfahren. Dabei sei im internationalen Vergleich eine Korrelation feststellbar zwischen der Anzahl weiblicher Führungskräfte und dem Teilzeitstatus.

Chancengleichheit am Arbeitsplatz

Gemäss den Autorinnen korreliert eine ausgewogenere Beteiligung von Männern an Teilzeitarbeit mit einem höheren Anteil von Frauen in Führungspositionen.

«Unnötig» seien all diese Nachteile, so die Autorinnen und Autoren des White Papers. Die Schweiz hätte beste Voraussetzungen, in Sachen Gleichstellung eine vorbildliche Rolle innerhalb Europas einzunehmen.

Ein ausgebautes Netzwerk an Kindertagesstätten mitsamt finanzieller Unterstützung vom Staat würde hierbei massiv Abhilfe schaffen. Vor allem aber fordern sie Massnahmen, die es Frauen ermöglichen, so lange wie möglich so nah wie möglich am Alltagsgeschehen zu bleiben. «Der Karrieremuskel muss unbedingt trainiert werden», so Anna Mattson.

Der Artikel von Patrick McEvily

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