Der Militärdienst vermiest Lehrabgängern die Jobaussichten

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20 Minuten – Barbara Scherer – 

Junge Männer müssen in der Schweiz Militärdienst machen. Arbeitsnehmende haben wenig Verständnis dafür: Lehrabgänger, die vor der Rekrutenschule stehen, bekommen oft keine Stelle.

Darum gehts
  • Junge Männer bekommen öfters keine Anstellung, wenn sie vor der Rekrutenschule stehen.
  • Denn die längere Abwesenheit stört den Betrieb in Unternehmen.
  • Die Fachstelle für Gleichstellung Zürich spricht von gesetzlicher Ungleichstellung.

Über 11’000 Personen sind im Januar in die Rekrutenschule RS eingerückt. Davon sind 240 Frauen, die den Militärdienst freiwillig absolvieren, wie der Bund schreibt. Für alle Männer ist der Dienst Pflicht. Doch im Beruf kann das Nachteile haben.

So müssen etwa alle militärdienstpflichtigen Personen eine abgeschlossene militärische Grundausbildung haben, wenn sie bei der Swiss im Kabinenpersonal arbeiten wollen. «Diese Personen fehlen ansonsten unter Umständen für 21 Wochen und würden sämtliche Qualifikationen verlieren», erklärt eine Sprecherin der Airline.

Damit ist die Swiss nicht alleine: Junge Männer bekommen öfters keine Anstellung, wenn sie die Aushebung für den Militärdienst noch vor sich haben oder sie vor der Rekrutenschule stehen. «Ich höre immer wieder von Lehrabgängern, dass sie vor der RS keine Stelle bekommen», sagt Personalexpertin Ursula Bergundthal.

Lange Abwesenheit stört Betrieb

Die Militärpflicht sei besonders kleineren Unternehmen wie KMUs ein Dorn im Auge. Denn die längere Abwesenheit der Dienstpflichtigen störe den betrieblichen Ablauf. «Umso kleiner ein Betrieb, umso wichtiger ist jede einzelne Person», so Bergundthal.

Längere Ausfälle können sich diese Firmen nicht leisten. Obwohl die Ausgleichskasse dem Arbeitgeber für seine Angestellten einen Teil des Lohnes für militärbedingte Abwesenheiten zahlt. «Leider hat das Verständnis und die Solidarität für die Wehrpflicht allgemein abgenommen», erklärt Bergundthal.

Während früher Kaderleute in der Wirtschaft auch Kaderleute in der Armee waren, ist das Militär heute ein  Stolperstein in der Karriere. So ist auch rund ein Drittel der Schweizerinnen und Schweizer überzeugt, dass der Bürgerdienst der Wirtschaft Arbeitskräfte wegnimmt, wie die Studie «Sicherheit 2021» der ETH zeigt.

Fachkräftemangel zwingt zum Umdenken

Dass junge Männer aufgrund der Dienstpflicht Mühe haben eine Anstellung zu finden, bestätigt auch Personalexperte Jörg Buckmann: «Internationale Unternehmen haben oft kein Verständnis für eine Abwesenheit aufgrund des Militärdienstes.»

Allerdings sei es vertretbar, wenn Unternehmen wie die Swiss eine abgeschlossene militärische Grundausbildung für gewisse Berufe vorschreiben. Denn für interessierte Bewerber sei so klar, was von ihnen verlangt wird, erklärt Buckmann.

Dabei könnte der aktuelle Fachkräftemangel viele Firmen aber zum Umdenken zwingen: «Unternehmen, die Arbeitnehmende aufgrund der Dienstpflicht ablehnen, machen sich unattraktiv», so Buckmann. Gerade Branchen mit hohem Personalmangel können es sich nicht leisten, Leute wegen der RS abzulehnen.

 

Militärdienst ist gesetzliche Ungleichheit

Auch Helena Trachsel von der Fachstelle für Gleichstellung Zürich kennt das Problem rund ums Militär: «Es handelt sich um eine gesetzlich festgehaltene Ungleichstellung.» Denn laut Bundesgesetz ist jeder männliche Schweizer Staatsbürger militärdienstpflichtig.

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Foto – Simon Glauser

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