annabelle – Franziska Wolffheim
Katja Kullmann ist radikal solo, hat nicht mal eine Katze. Bedauernswert? Von wegen. Die Autorin spricht übers Single-Sein als Frau.
Katja Kullmann: Und wie! Für mich ist das eine Monsterfrage, sie ist aufdringlich und auch unverschämt.
Vielleicht ist es so gemeint. Aber es schwingt auch die Idee mit, dass Alleinsein ein Defizit ist.
Mit einem flapsigen Spruch, zum Beispiel: «Bindungsangst – die besonders ansteckende Form.» Dann lachen die Leute, während es in mir noch grummelt. Beliebt sind auch Sätze wie: «Keine Sorge, der Richtige kommt schon noch!» Oder: «Oh, Single, hätte ich gar nicht von dir gedacht!»
Ich fürchte ja. Ungebundene Frauen gelten schnell als armes Huscheli, Frustkuh oder Underperfomerin, wie man heute sagt. Single-Männer werden dagegen deutlich positiver bewertet, etwa als wilder Revolutionär, als beseelter Künstler oder selbstverliebter Dandy. Bei den Frauen wird eine weibliche Lebensrealität – die Lust aufs Ungebundensein – schlichtweg negiert. Dabei sind sie alle einzigartig, eben «singuläre Frauen», wie ich sie nenne. Leider haben viele von ihnen Spuren dieser sexistischen Bewertungen verinnerlicht.
Genau. Und das, obwohl das gesellschaftliche Klima heute eigentlich ja deutlich offener ist. Queere Lebensentwürfe sind viel selbstverständlicher als noch vor ein paar Jahren.
Stimmt. Heute sind Frauen das Bild der verzweifelt suchenden oft irgendwie kindischen Single-Frau leid, wie es in solchen Fernsehserien verkörpert wurde. Bei den Recherchen zu meinem Buch habe ich ganz klar gesehen, dass die Angst der Frauen vor dem Alleinsein schwindet. Solo-Frauen sind heute viel selbstbewusster.
Schon, in der ersten Zeit des Alleinseins. Ich war damals Mitte dreissig und hatte das Gefühl, irgendwie falsch zu sein. Narzisstisch vielleicht? Oder kühl oder frigid? Vorher war ich 18 Jahre durchgängig in langjährigen Partnerschaften fest liiert gewesen. Ich fragte mich: Bin ich denn jetzt schon die verrückte Alte? Ich war stark verunsichert von mir selbst.
Und ob! Über mangelnde Aufmerksamkeit kann ich mich nicht beschweren, es gab immer Männer, die etwas von mir wollten. Nur ich wollte irgendwann nicht mehr.
Es ist sicher kein Zufall, dass immer ich es war, die Schluss gemacht hatte. Zuletzt war ich zehn Jahre in einer eheähnlichen Partnerschaft gewesen. Ich liebte meine festen Partner. Aber irgendwann setzte immer der gleiche Mechanismus ein: Ich fühlte mich unfrei, eingeengt, musste immer etwas verhandeln, rechtfertigen, zum Beispiel wenn ich mal allein eine längere Reise machen wollte. Ich bekam zu hören: Mach mal halblang, du musst häuslicher, weiblicher werden, deine Aktivitäten zurückfahren. Das hat mich belastet und enttäuscht. Es gab da eine gewisse Eifersucht der Männer auf meine Unternehmungen.
Und wenn ja: Ist das dann eigentlich schlimm? Vielleicht interessiert mich das gar nicht so sehr.
Es war nicht so, dass ich planmässig ins Alleinleben gewechselt habe. Ich brauchte erst mal eine Pause vom Beziehungsleben. Ich hatte keinen dringenden Kinderwunsch, wollte mich als Autorin, Journalistin ausprobieren. Ich hatte immer mal flüchtige Verhältnisse, aber mehr wollte ich auch nicht. Freundinnen sagten, ich solle mich locker machen, mich einlassen auf die Angebote, die von Männern kamen. Ich merkte aber, dass ich mich mit den meisten gelangweilt habe. Dann gab es auch Männer, die fest gebunden waren und eine Geliebte suchten. Ich fand das schäbig, ich wollte das nicht sein.
Nach ein paar Jahren. Ich merkte, dass ich ausgeglichener, aufgeschlossener, freundlicher war, mich kompletter empfand als vorher. Heute fühle ich mich in meinem Solo-Leben total wohl.
Es gibt eine Formulierung des Philosophen Martin Heidegger, die lautet: In-der-Welt-Sein. Genau das trifft auf mich zu. Ich bin wahnsinnig gern draussen unterwegs, plaudere mit dem Kioskverkäufer, der Bäckereiangestellten hinter dem Tresen. Ich fühle mich sehr frei dabei. Und zugleich aufgehoben. Darüber hinaus habe ich einen grossen Freundeskreis, dazu viele lose Bekanntschaften. Für mich ist das beglückend, ich bekomme viel Inspiration. Ich hätte gar keine Kapazitäten mehr und auch keine Lust, einer Zweisamkeit so viel Raum zu geben.
Ich empfinde das als sehr angenehm. Mir war es noch nie besonders wichtig, mich um meinen Körper zu kümmern, ich mache mir keine Sorgen darüber, dass meine Haare grau werden oder mein Bindegewebe nicht mehr so fest ist. Ich empfinde es als grosse Freiheit, dass mir das Älterwerden wenig ausmacht. Und da ist keiner an meiner Seite, der ständig mein Aussehen kommentiert.
Ich habe das Gefühl, dass meine Freundschaften über die Jahre tiefer geworden sind, auch die Beziehung zu meinen Eltern ist inzwischen sehr eng. Ich widme diesen Beziehungen jetzt einfach viel mehr Zeit als vorher. Nähe kann ich auch erleben, wenn mich eine Freundin ein Wochenende zuhause besucht. Wir haben eine schöne, intensive Zeit, danach bin ich aufgeladen mit Energie. Ich fühle mich geliebt und kann zurücklieben, es gibt weniger Missverständnisse, weniger Rangeleien als früher in meinen Partnerschaften.
Einige wenige, ich nenne sie Leuchtturm-Paare, weil sie herausragen. Ich sage mir und ihnen dann immer: Aha – geht doch! Und ich freue mich ehrlich für sie.
Nein. Aber jetzt möchte ich Sie mal etwas fragen: Warum sprechen wir nicht mal darüber, worum gebundene Freundinnen mich vielleicht beneiden? Mir gehen solche Fragen ein bisschen auf die Nerven, weil sie unterstellen, dass es einer alleinlebenden Frau letztlich doch nicht so gut gehen kann.
Kolleginnen oder Freundinnen sagen mir, dass sie sich oft mehr Luft und Raum wünschen, ihren eigenen Interessen nachzugehen, ohne dabei auf Partner oder Kinder Rücksicht nehmen zu müssen. Es kann um banale Dinge gehen wie den Streit um Einrichtungsfragen, aber auch um Sinnfragen, das Gefühl, etwas verpasst zu haben. Dann kommen Sätze wie: «Ich habe mich selbst völlig verloren in all den Jahren meiner Partnerschaft.»
Nein – eben nicht. Das darf vor allem nicht dazu führen, dass Frauen sich gegenseitig Zerrbilder andichten. Weder sind alle verheirateten Mütter auf Dauer immer gestresst oder frustriert, noch sind alle ungebundenen Frauen traurig oder verhärtet, weil niemand ihnen beim Fernsehen die Füsse krault.
Oh ja, damit treibe ich gelegentlich meine Scherze. Meine Lieblingsmarotte ist die Wohnzimmerdisco: Ich lasse die Läden herunter, dämme das Licht, lege meine Lieblingsmusik auf und tanze vor mich hin. Gerade in der Pandemie machte ich das ziemlich oft, drei, vier Mal im Monat. Auch von anderen alleinlebenden Frauen weiss ich, dass sie ihre eigene Wohnzimmerdisco- Tradition haben.
Wenn Sie jetzt an One-Night-Stands denken: Das ist nichts für mich, das habe ich schnell wieder gelassen. Es turnt mich nicht an, mit jemandem ins Bett zu gehen, der mich nicht wirklich reizt, nicht als Person meine ich, als Charakter. Aber ich bin ein recht lustvoller Mensch und habe die Sexualität immer sehr genossen. Heute geniesse ich sie am liebsten allein und das regelmässig. Ich könnte auch sagen: Ich habe lieber weiterhin guten Sex mit mir als schlechten Sex mit irgendwem. Was ich allerdings manchmal vermisse, ist Zärtlichkeit. Die lässt sich nicht so leicht herstellen, ohne einen anderen Menschen. Manche Frauen ohne Partner gehen zu Massagen, wenn sie es sich leisten können, oder sie schmusen mit ihren Haustieren. Jede findet da so ihren Weg.
Also, ich bin radikal solo: Ich habe keine Katze und nicht mal einen Goldfisch. (lacht)
Klar, ich vermisse es, viele Leute zu treffen. Andererseits ist es für mich in vielem einfacher als für andere. Ich kann als Journalistin bequem im Homeoffice arbeiten. Mir ist praktisch nie langweilig, ich weiss ja schon all die Jahre, mich gut allein zu beschäftigen.
Nein, vielleicht erlebe ich die Liebe ja noch einmal, wer weiss. Aber ich bin nicht auf der Suche. Ich fühle mich durchaus wohl so, wie es ist.
Der Artikel von Franziska Wolffheim