Anne Fellner, Urenkelin von Kunstmaler Otto Wyler, gewinnt Swiss Art Award

Fokus

Aargauer Zeitung – Anna Raymann

«Wir haben eine ähnliche Farbpalette»: Anne Fellner ist die Jüngste in der Aargauer Künstlerfamilie Wyler/Fellner. Aufgewachsen inmitten von Bildern malt sie nun ihre eigenen. Mit Erfolg: Sie erhält einen wichtigen Kunstpreis.

Zwei Frauen blicken nach vorn, ihren Betrachtern zeigen sie den Rücken. Etwas unheimlich wird einem, wenn man ihnen so über die Schulter blickt. Die zwei Frauen sind die Protagonistinnen in der Bildserie von Anne Fellner. Für die insgesamt vier Ölbilder erhielt sie einen Swiss Art Awards, den sie während der Art Basel entgegennahm.

Anne Fellner ist Künstlerin in der vierten Generation. Vor ihr malten schon ihr Vater Tom Fellner, ihre Grossmutter Lotti Fellner und ihr bekannter Urgrossvater Otto Wyler. In der über 100-jährigen Kunst- und Familiengeschichte gibt es unterschiedliche Themen, unterschiedliche Stile, die Malerei aber verbindet die Generationen. Bild an Bild war dies vor zwei Jahren in einer Ausstellung im Kunsthaus Zofingen zu sehen. Werke von Grossmutter, Urenkelin, Vater und Urgrossvater wechselten sich heiter ab. Anne Fellner stellte fest: «Zum Teil haben wir eine ähnliche Farbpalette. Und das Interesse für Landschaft und Natur verbindet uns.»

Kunst darf auch Krimi sein

Sie hat recht. Die Bildserie für die Swiss Art Awards nennt Fellner «Stadt Land Fluss». Hergestellt hat sie die Künstlerin in nur drei Monaten, mehr Zeit blieb nach der Einladung zur Ausstellung nicht. «Das war sportlich», sagt sie. Entstanden sind vier grossformatige Arbeiten, gemalt auf straff gespannten Stoffen. Die Figuren und Szenerien lösen sich mit jedem Blick weiter auf, bis noch abstrakte Flächen bleiben. Dazu stellt Fellner einen Text, den sie als Jugendliche in den 90er-Jahren geschrieben hat. Die kurze Geschichte über eine Schatulle, die ihr Geheimnis für sich behält, schliesst die Serie ab: «Ich habe mit meinem Vater eine Ausstellung in Glarus besucht. Auf der Reise dorthin hat er mir den Text gegeben, er hatte ihn auf dem Dachboden gefunden.»

Oft sind es Texte, die sie inspirieren, eine kurze Szene oder auch nur eine Ortsbeschreibung: «Zum Beispiel aus einem Krimi. Das passt zur Kunst, wo oft etwas angedeutet wird, das der Betrachter selber weiterdenken muss.»

Anne Fellner hat mehrer Heimaten. Aufgewachsen ist sie auf einer Insel bei Seattle, der amerikanische Akzent liegt ihr auf der Zunge, wenn sie über ihre Arbeit und ihre Familie spricht. Mit elf zog sie in die Schweiz, nicht nach Aarau, wo Urgrossvater Otto Wyler lange Zeit lebte und etwa den Maienzug malte, sondern nach Zürich. Auch dort blieb sie nicht auf Dauer, heute wohnt sie in Berlin.

Immer umgeben von Bildern

Die erste bewusste Begegnung mit Kunst hatte Anne Fellner, als sie nach ihrem Umzug in die Schweiz Grossmutter Lotti Fellner besuchte. Diese lebte (und arbeitete) im Haus und Atelier von Otto Wyler an der Schönwerdstrasse in Aarau. «Man kam herein und gleich hinter der ersten Türe lagerten die Bilder. Das Präsenteste im Haus war die Arbeit, die Malerei», erinnert sich Anne Fellner. «Ich war ständig umgeben von Bildern, das ist inspirierend. Aber es ist nicht leicht, in einer solchen Umgebung seinen eigenen Weg zu gehen.»

Die Künstlerin wuchs auf mit malenden Vorbildern. Ihr Urgrossvater, Zeitgenosse von Ferdinand Hodler, der sich mit prägnanten Figurendarstellungen und im freien gemalten Landschaftsbildern einen Namen machte. Die Grossmutter, deren vielschichtige Malerei von der persönlichen Zerrissenheit durch eine Schizophrenie-Erkrankung erzählt. Ihr Vater, dessen Bilder, von Monstern und Comic-Figuren bevölkert, vor Witz sprühen.

Nach ihnen suchte Anne Fellner ihren eigenen Pfad: «Ich habe zuerst Chemie studiert, wusste aber nicht, wohin mich das führen soll. Dann hat mein Vater mich in sein Atelier eingeladen und gesagt: Ich bringe dir Ölmalerei bei. Wenn du dich wirklich für Kunst interessierst, dann mach es.» In jenem Sommer arbeitete sie an der Mappe, mit der sie sich an der Kunstschule in Leipzig bewarb. Die Bilder malte sie auf alte Leinwände ihres Urgrossvaters. Sie wurde aufgenommen und hat seither weitergemalt. Ihr eigenes Atelier nahe des ehemaligen Flughafens im vibrierenden Berlin Tegel hat nichts mit dem idyllisch gelegenen Künstlerhaus ihrer Vorfahren gemein.

Der Artikel von Anna Reymann

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