Alles, was ich bisher nicht über Muskeln wusste

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watson.ch – Sandra Casalini

Endlich hab ich auch mal so eine stylishe Sportverletzung: Muskelfaserriss. Ich überlege mir noch, ob ich erzählen soll, dass ich ihn mir beim Freeskien oder beim Hochalpin-Klettern zugezogen habe. Die Wahrheit ist weit weniger spektakulär …

Es ist beim Husten passiert. Und zwar vergangenes Wochenende auf einem Parkplatz. Ich habe keine Ahnung, was den Hustenanfall auslöste, aber er war heftig. Ich krümmte mich und merkte ganz deutlich, dass im unteren Rücken meiner linken Körperseite, direkt bei den Rippen, etwas riss. Und glaubt mir, ich weiss, wie es sich anfühlt, wenn etwas im Körper reisst – ich hab mal ein Baby geboren, das sich während der Geburt gedreht und dabei ziemlich viel zerrissen hat.

In dem Moment auf dem Parkplatz hatte ich keine Ahnung, was passiert sein könnte. Ich tat, was ich in solchen Situationen immer tue: Ich fragte Google. Und kam zu dem Schluss, zu dem ich in solchen Situationen immer komme: Ich werde sterben. In diesem konkreten Fall an einer gerissenen Milz. Die Assistentin der Notärztin, die ich kurz darauf am Telefon hatte, war sich ziemlich sicher, dass meine Milz heil ist, zumal ich noch aufrecht stehen und normal sprechen konnte, meinte aber, ich solle trotzdem vorbeikommen.

Fragen über Fragen

Was ich denn auch tat. Das Röntgenbild, das zu Sicherheit gemacht wurde, zeigte, dass all meine Rippen ganz waren. Die Fragen, welche die Ärztin mir danach stellte, führten nicht nur zur Diagnose, sondern auch zu der Erkenntnis, dass ich total selbst schuld bin an der Misere. Ich habe durch sie allerdings auch eine Menge Dinge über Muskeln und Muskelverletzungen erfahren, die mir nicht bewusst waren.

  • Frage 1: Trainieren Sie regelmässig? Auch den Rücken? Und wärmen Sie sich vor dem Training auf?

    Ja und ja und ja. Allerdings muss ich zugeben, dass ich dem linksseitigen unteren Rücken bisher wenig Aufmerksamkeit geschenkt habe beim Aufwärmen. Ich wüsste auch gar nicht, welche Übungen man dafür so machen könnte.Muskeln, die unaufgewärmt aus dem Blauen heraus belastet werden, sind anfälliger für Verletzungen. Durchs Aufwärmen werden die Muskeln elastischer, wodurch die Anfälligkeit für Risse sinkt (wie bei einem Gummiband, das auch nicht so schnell reisst wie ein unelastisches Stück Papier).
  • Frage 2: Waren Sie in letzter Zeit häufig draussen in der Kälte? Auch zum Sport?Na ja, Ersteres liess sich hier in den vergangenen Wochen kaum vermeiden. Und ja, wenn’s ausnahmsweise mal nicht geschifft hat, bin ich auch auf den Vitaparcours.

    Je kälter, desto weniger werden die Muskeln durchblutet, was sie weniger elastisch, und wiederum anfälliger für Verletzungen macht.

  • Frage 3: Haben Sie in letzter Zeit weiche Schuhe wie Ballerinas oder Converse getragen?Seltsame Frage. Aber ja, hab ich. Meine alten Chucks. Und jetzt, wo Sie’s sagen: Ich hatte am Abend tatsächlich Rückenschmerzen.

    Extrem flexible Gummisohlen geben dem Fuss keinen richtigen Halt, was zu einer falschen Belastung von Gelenken und Muskeln im ganzen Körper führen kann. Dazu kommt, dass ich meine Tasche immer über der rechten Schulter trage – was die Muskeln auf der linken Seite auszugleichen versuchen, was sie belastet.

  • Frage 4: Waren Sie in letzter Zeit krank?Ja, vor etwa drei Wochen hat’s mich total flachgelegt, aber nicht lange. Kurz, aber heftig.

    Sowohl virale als auch bakterielle Infekte können Muskeln angreifen und sie schwächen. Und nicht nur diese, sondern auch zahlreiche Medikamente, mit denen sie behandelt werden, können einen Einfluss auf die Muskeln haben.

  • Frage 5: Sie wissen, dass Ihre Hämoglobinwerte ziemlich tief sind?

    Ja, das weiss ich. Ich verdanke dies den Wechseljahren und den damit verbundenen langen und heftigen Blutungen. Meine Frauenärztin meinte aber beim letzten Besuch, sie seien zwar tief, aber noch nicht besorgniserregend.Eisen sorgt dafür, dass Sauerstoff und Nährstoffe zu den Muskeln gelangen. Ist dies eingeschränkt, werden die Muskeln nicht nur leistungsschwächer, sondern auch verletzungsanfälliger. Dasselbe gilt übrigens auch für Mangel an Flüssigkeit und anderen Nährstoffen.
  • Frage 6: Hatten Sie an der entsprechenden Stelle schon vorher Schmerzen?Die Frage habe ich befürchtet. Nein. Ja. Also Schmerzen ist übertrieben. Ich hatte so ein unangenehmes Gefühl und bei gewissen Bewegungen hat’s etwas weh getan. Aber nicht so richtig. Habe ich trotzdem trainiert? Ja. Auch den betroffenen Muskel? Ja. Seit wann? Etwa zwei Wochen.

Nie wieder Schmerzen ignorieren

Nun denn, vermutlich war dieser Muskel also bereits seit zwei Wochen gezerrt. Ausgelöst durch die Kombination von ungenügendem Aufwärmen vor dem Training, Sport in der Kälte, einem vorangehenden Infekt und zu wenig Eisen im Blut (die Chucks stufe ich hier als optional ein, auch wenn sie ebenfalls eine Rolle gespielt haben könnten). Ich hab das ignoriert und trotzdem weiter trainiert. Da reichte dann ein Hustenanfall, um die lädierte(n) Muskelfaser(n) zu reissen. Den Blick der Ärztin, der sagt: «Absolut total selbst schuld», kann ich ihr nicht verübeln.

Die Folge sind Schmerzen bei gewissen Bewegungen, und vor allem beim Husten oder Niesen, wovor ich eine grausame Angst entwickelt habe. Machen kann man nicht viel, ausser mal ein Schmerzmittel nehmen, wenn’s zu derb wird. Dazu erst mal Trainingspause, und vermutlich ist’s wohl an der Zeit, mir ein Eisenpräparat verschreiben zu lassen. Und: Nie wieder Schmerzen ignorieren, auch wenn sie nicht stark sind. Denn irgendwas will einem der Körper ja damit sagen.

Der Artikel von Sandra Casalini

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