Der Umgang mit Plastikmüll ist noch immer haarsträubend, berichtet die OECD und fordert Verbesserungen.

infoSperber.ch – Daniela Gschweng –
Nur neun Prozent des weltweit verwendeten Kunststoffs werden recycelt.
Zu diesem Schluss kommt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die mit dem «Plastics Outlook» im Februar einen umfangreichen Report über die globale Verwendung von Plastik vorgelegt hat.
Bildlich gesprochen ginge von den Coronamasken, Plastiksäcken, Sandkastenschaufeln, Damenbinden, Colaflaschen, Badelatschen, Polyesterhemden, Zigarettenkippen, Wäschekörben, dem Plastikbesteck und dem Gehäuse der kaputten Bohrmaschine, die sich vielleicht in Ihrem Müllkübel finden, am Ende nur das Polyesterhemd in die Wiederverwertung.
Nicht, dass mit dem grossen Rest annähernd nachhaltig umgegangen würde: Die Hälfte des global benutzten Plastiks wird deponiert, ein kleiner Teil verbrannt, 22 Prozent verschmutzen die Umwelt direkt. Die OECD fordert globale Lösungen, die auch die einkommensschwachen Länder mit einbeziehen.
2019 wurden 460 Millionen Tonnen Kunststoff verwendet, doppelt so viel wie 19 Jahre zuvor. Noch schneller wuchs seit der Jahrtausendwende der daraus entstehende Plastikmüllberg. Dieser hat sich auf 353 Millionen Tonnen mehr als verdoppelt. Die Eindämmung der Plastikflut ist bisher also wenig erfolgreich.
Die meisten Kunststoffprodukte haben eine absehbar kurze Lebensdauer. Fast zwei Drittel aller weggeworfenen Plastikprodukte wurden weniger als fünf Jahre lang verwendet. 2019 waren zwei Fünftel des Plastikmülls Verpackungen, 12 Prozent Konsumgüter und 11 Prozent Kleidung.
Mehr als ein Fünftel dieses Mülls (22 Prozent) wird unkontrolliert entsorgt, offen verbrannt, gelittert oder in die Umwelt gekippt. Die Hälfte wird auf kontrollierten Deponien entsorgt. Aus dem knappen Fünftel, das verbrannt wird, liesse sich theoretisch noch thermische Energie gewinnen. Wegen der dabei entstehenden Abgase geht Verbrennung aber auf Kosten des Klimas. Die meisten Klimagase entstehen aber bei der Herstellung von Plastik.
Von Kreislaufwirtschaft also keine Spur. Oder nur sehr wenig: Von den 55 Millionen Tonnen Kunststoffmüll, die 2019 zur Wiederverwertung eingesammelt wurden, blieben 22 Millionen Tonnen Recyclingrückstände übrig, die weiter entsorgt werden mussten. Recycelt wurden also unter dem Strich nur neun Prozent der Plastikproduktion.
Der allergrösste Teil aller Kunststoffe weltweit wird direkt aus Öl und Gas hergestellt. Seit 2000 hat sich der Anteil an Recyclingplastik zwar vervierfacht. Mit 29 Millionen Tonnen oder sechs Prozent Produktionsanteil ist er 2019 aber noch immer klein. Über die Stoffströme von Recyclingkunststoff gebe es auch vergleichsweise wenig Daten, bemängelt die OECD.
Neben den zahlreichen Hindernissen bei der Wiederverwertung wie Trennung, Sammlung und Sortenreinheit liegt der geringe Recyclinganteil zuallererst am Preis. An diesen Stellen könnte die Politik eingreifen.
Die bisherigen Bemühungen zur Eindämmung der Müllproblematik, das ist an diesen Zahlen sichtbar, sind deutlich zu gering. Die OECD fordert darüber hinaus koordinierte und globale Lösungen, die die weniger wohlhabenden Länder mit einbeziehen. Die Umweltorganisation Greenpeace hat im September 2021 dargelegt, dass Kreislaufwirtschaft kein Ausweg aus dem Mülldilemma ist, und fordert umfassende Mehrweglösungen (Infosperber: «An Mehrweg führt kein Weg vorbei»).
Grossen Einfluss auf die Müllmenge hat unser Verhalten, das zeigt die Bilanz des Covid-Jahres 2020. In diesem Jahr wurden weltweit rund zwei Prozent weniger Einmalplastik verwendet, bei sonst stetig steigenden Zahlen. Am meisten ging die Müllmenge in den USA zurück.
Verringern muss sich laut der OECD vor allem die Plastikmenge, die unkontrolliert entsorgt wird. Allein 2019 gelangten beispielsweise 6,1 Millionen Tonnen Plastikmüll in Gewässer, wo sich bisher schätzungsweise 139 Millionen Tonnen Plastik angesammelt haben. Über kurz oder lang landet dieses in den Ozeanen, wo es sich kaum noch entfernen lässt. Nach Schätzungen des «Pew Research Centers» von 2020, die etwas höher ausfallen als die der OECD, gelangen jedes Jahr etwa 11 Millionen Tonnen Plastik ins Meer.
Ein kleinerer Teil der globalen Plastikverschmutzung sind Mikroplastik-Partikel, vor allem aus Brems- und Reifenabrieb. Sie entstehen hauptsächlich in urbanen Ballungsräumen, sind aber sehr mobil. Plastik reist so bis in die Arktis und schneit auf die Rocky Mountains (Infosperber «Es regnet Plasik»).
Länder gehen mit Plastikmüll unterschiedlich um. Die OECD-Mitglieder Kanada, USA und die EU-Länder verursachen gemessen am Gesamtaufkommen einen relativ kleinen Anteil an Umweltverschmutzung. Grösser ist er in Indien, Lateinamerika und Afrika. Die Industrieländer produzieren pro Kopf aber auch am meisten Plastikmüll, Schwellenländer holen mit steigendem Wohlstand auf. In der Bilanz gelangt mehr Plastikmüll in die Umwelt, als zur Wiederverwertung eingesammelt wird.
120 Länder haben bereits Gesetze und Regulierungen für Einmalplastik, einige betreiben Pfandsysteme, die meisten erheben Gebühren für Deponiemüll. Die Schweiz hat zwar gute Mülltrennungssysteme, verbrennt aber ausser PET-Flaschen den meisten Plastikmüll. Von diesen kommen dann 40 Prozent tatsächlich auch im Kreislauf an – das allerdings ist der beste Wert weltweit. Deutschland hat den Gelben Sack und verwertet etwa die Hälfte seines Plastikverpackungsmülls, will diese Quote aber steigern. Beide Länder exportieren Müll ins Ausland.
Lokale Anstrengungen zur Mülltrennung und Förderung von Recycling müssten mehr unterstützt, internationale Kooperationen verstärkt werden, schlägt die OECD vor. Die Organisation rät, innovative Verbesserungen wie die Verringerung der Menge an benötigtem Rohplastik bei der Produktion verstärkt zu fördern, Materialien länger zu nutzen und Recylingprozesse zu verbessern.
Bei der fünften Tagung der Umweltversammlung der Vereinten Nationen (UNEA) die Ende Februar kurz nach der Veröffentichung des OECD-Reports stattfand, einigten sich die Teilnehmer, bis 2024 ein bindendes Abkommen aufzusetzen, das den gesamten Plastik-Lebenszyklus umfasst.