Babypause vergrössert die Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern – muss das sein?

Fokus

elleXX – Nicola Brandt

Die Gender Gaps sind ein globales Thema. Nicola Brandt vom OECD Berlin Centre beleuchtet diese Gaps regelmässig in Beiträgen für uns. Den Start macht sie mit dem Gender Pay Gap. Und sie zeigt den Zusammenhang mit den Kinder-Auszeiten.

Frauen starten schon mit etwas schwächeren Gehältern in das Berufsleben als vergleichbar qualifizierte Männer. Das kann mit der Berufswahl zusammenhängen, aber auch damit, dass Frauen bei der Verhandlung von Einstiegslöhnen weniger erfolgreich sind. Besonders in den Jahren, in denen Paare typischerweise Kinder bekommen, vertieft sich diese Lohnlücke deutlich, jedenfalls in Deutschland, den Niederlanden und – etwas weniger ausgeprägt – in Frankreich, aber auch in der Schweiz.  Nur in Schweden verändern sich den neuen OECD-Daten zufolge die Lohnunterschiede mit den Jahren kaum; in Dänemark werden sie sogar kleiner.

Warum fällt die Child Penalty in Skandinavien milder aus?

Mütter nehmen nach der Geburt eines Kindes in vielen Ländern deutliche Lohneinbussen hin. Dieses Phänomen wird manchmal als «Kinderstrafe» – Child Penalty – bezeichnet. In jenen Jahren, in denen viele Männer wichtige Karriereschritte machen, gehen Frauen häufig zugunsten der Sorgearbeit für Kinder berufliche Kompromisse ein. So zeigt etwa eine französische Studie, dass junge Mütter, die sich einen neuen Arbeitgeber suchen, vor allem auf kürzere Arbeitswege und mehr zeitliche Flexibilität Wert legen, um Kinderbetreuung besser mit dem Beruf vereinbaren zu können. Lohneinbussen nehmen sie dafür in Kauf. Auch in den in der OECD-Studie untersuchten Ländern, einschliesslich Schweden, zeigt sich, dass Frauen häufiger in Firmen arbeiten, die grössere Arbeitszeitflexibilität bieten, aber dafür auch geringere Löhne.

Nicola Brandt, Leiterin OECD Berlin Centre
In jenen Jahren, in denen viele Männer wichtige Karriereschritte machen, gehen Frauen häufig zugunsten der Sorgearbeit für Kinder berufliche Kompromisse ein.

Woher kommt es nun, dass die «Kinderstrafe» in skandinavischen Ländern so viel milder ausfällt als im deutschsprachigen Raum? Insbesondere zwei Faktoren scheinen eine wichtige Rolle zu spielen: Die Verfügbarkeit erschwinglicher Ganztagsbetreuung von hoher Qualität und steuerliche Anreize. In deutschsprachigen Ländern setzen viele Mütter nach der Geburt nicht nur vergleichsweise lange beruflich aus, sie arbeiten nach ihrer Rückkehr in den Job auch besonders häufig in Teilzeit mit geringer Stundenzahl. Das zieht im weiteren Verlauf ihrer Karriere deutliche Lohneinbussen nach sich, denn Beförderungen sind bei Teilzeitkräften selten.

Arbeiten lohnt sich in der Schweiz für viele nicht

Zwar hat insbesondere Deutschland seit der Jahrtausendwende grosse Fortschritte beim Ausbau der Betreuungsinfrastruktur für kleinere Kinder gemacht. Studien zeigen, dass dort, wo der Ausbau der Kinderbetreuung  schneller gelungen ist, auch die Beschäftigung von Frauen rascher stieg. Ähnliche Ergebnisse gibt es für die Schweiz. Doch nach wie vor fehlt es in beiden Ländern an Krippen-, KiTa- und Ganztagesschulplätzen von hoher Qualität. In der Schweiz kommen hohe private Kosten für Kinderbetreuung hinzu. Sie belasten das Haushaltseinkommen fast dreimal mehr als im OECD-Durchschnitt. Arbeiten lohnt sich in der Schweiz so für viele Mütter schlicht nicht.

In Dänemark und Schweden ist der Anteil von Babys und Kleinkindern bis zwei Jahren, die Kinderbetreuungseinrichtungen besuchen, im internationalen Vergleich besonders hoch, während in der Schweiz auch Dreijährige nur selten an frühkindlicher Bildung teilnehmen. Entsprechend arbeiten auch Mütter von Kleinkindern in Dänemark und Schweden besonders häufig. Und vor allem arbeitet der grösste Anteil von Müttern kleiner und grösserer Kinder in Skandinavien in Vollzeit, anders als in der Schweiz, Österreich und Deutschland. Da wundert es nicht, wenn die «Kinderstrafe»  weniger hart ausfällt als in den deutschsprachigen Ländern.

Schweden kennt die Individualbesteuerung seit den 1970er-Jahren

Aber auch die Steuersysteme in der Schweiz und Deutschland machen Vollzeitarbeit für verheiratete Frauen unattraktiv. Durch die gemeinsame Veranlagung für Ehepartner sind Zweitverdiener, und zwar meistens Frauen, bei der progressiven Einkommenssteuer mit einem deutlich höheren Tarif konfrontiert als unverheiratete Kolleginnen, die ihr Einkommen alleine versteuern. Verheiratete Frauen müssen den höheren Steuersatz zahlen, der sich durch das Einkommen ihres Partners ergibt, wenn das Paar gemeinsam besteuert wird. Schweden ging bereits in den 1970er-Jahren von einer gemeinsamen Besteuerung von Ehepartnern zu einer Individualbesteuerung über. In der Folge stieg die Erwerbsbeteiligung der Frauen deutlich an. Als die Reform eingeführt wurde, waren sechsmal mehr Frauen in der niedrigsten Einkommensgruppe als Männer. Zwanzig Jahre später hatte sich der Frauenanteil in dieser Gruppe vollständig angeglichen, und zwar an den Wert der Männer. Mit anderen Worten: Die Frauen sind in höhere Einkommensgruppen aufgestiegen. Das zeigt, welche enorme Wirkung es haben könnte, wenn die derzeit in der Schweiz laufenden Gesetzesverfahren und Volksinitiativen zur Einführung der Individualbesteuerung Erfolg hätten.

Der Artikel von Nicola Brandt

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