4 Fragen an Michèle Sauvain – Dokumentar-Filmerin, Produzentin, Autorin SRF

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Eigentlich wäre ich gerne Diplomatin geworden. Internationale Politik und Menschenrechte haben mich schon immer fasziniert, darum habe ich an der Uni Zürich Jura studiert. Doch bereits an meiner Assistenzstelle im völkerrechtlichen Institut merkte ich, dass ich für den diplomatischen Dienst viel zu ungestüm und zu wenig konform war. Ich wollte mit Menschen zu tun haben, die Welt verändern und mich nicht an formelle Abläufe halten und verwalteten Hierarchiestrukturen unterordnen.

Was lag näher als in den Journalismus zu gehen. Das habe ich bisher nie bereut. In meinen 30 Jahren im Journalismus konnte ich den Themen nachgehen, die mich interessierten: Flüchtlingspolitik, Holocaust, Umwelt- und Gesellschaftspolitik und immer auch Frauenfragen. Bis zur Geburt meiner ersten Tochter hielt ich mich für vollständig emanzipiert. Dann merkte ich, dass echte Emanzipation erst mit dem Kinderkriegen auf die Probe gestellt wird. Ich machte es wie viele andere, arbeitete 60% weiter, bekam zwei weitere Kinder, stockte mein Pensum wieder auf als das Alter der Kinder es zuliess, und hielt mich immer noch für sehr emanzipiert, weil ich es schaffte, einen anspruchsvollen Job und die Familienarbeit auf die Reihe zu kriegen. Heiraten fand ich nicht nötig, bis unsere dritte Tochter auf die Welt kam. Dann dämmerte mir, dass das wohl finanztechnisch nicht optimal war. Wir heirateten, einer Gütertrennung stimmte ich zu, schliesslich war ich ja dank meines Jobs unabhängig. Damit, dass mein Mann voll und noch mehr arbeitete und zur Familienarbeit nur wenig beitrug, arrangierte ich mich wie viele andere Frauen auch.

Das erste Mal, dass ich die gläserne Decke zu spüren bekam war, als ich mich im Jobsharing für eine Leitungsstelle bewarb. In der Chefetage wollte man nur eine Ansprechperson, Jobsharing kam damals noch nicht in Frage, und einige meiner Arbeitskolleginnen fanden, ich wäre eine Rabenmutter, weil ich mich überhaupt beworben hatte. Weitere solche Erfahrungen folgten: Ich merkte relativ spät, dass ich zu einem tieferen Lohn arbeitete als andere, war viel zu lange davon ausgegangen, dieser werde automatisch angepasst und hatte mich nie dafür gewehrt. Argumentierte ich in einem Männergremium sachlich und klar, wurde mir immer mal wieder Emotionalität vorgeworfen, auch das etwas, was viele Frauen kennen. Einige dieser klassischen Gender-Muster in der Arbeitswelt haben sich in der Zwischenzeit glücklicherweise ein bisschen verändert.

Anders im privaten Bereich: Erst als ich mich scheiden liess, merkte ich, dass es um meine Pensionskasse einiges schlechter bestellt war, als ich gedacht hatte. Wir hatten lange im Konkubinat gelebt. Anspruch auf das Splitting hatte ich nur für die verheiratete Zeit, all die Jahre vorher hatte ich gratis Familienarbeit geleistet und mir damit den klassischen «Gender-Gap» beschert.

Das inspirierte mich zu meinem neusten Film «Frauen und Geld – ein Tabu mit Folgen». Ich hatte darauf vertraut, dass wir eine faire Lösung finden würden, aber mich viel zu wenig informiert. Ich hatte und habe ein gutes Leben, aber es ist mir ein grosses Anliegen, dass sich jüngere Frauen aktiver und bewusster um ihre Finanzen kümmern, denn wirkliche Emanzipation – so denke ich heute – fängt damit an.

Informationen zum Film


SWONET: Was fasziniert und begeistert Dich an Deiner Arbeit?

Ich liebe es, in fremde Lebenswelten einzutauchen und gebe mich auch immer wieder gern der Illusion hin, mit meinen Filmen ein bisschen etwas bewegen zu können. Mit meinem neusten Film zum Beispiel, dass sich Frauen, auch wenn es unbequem ist, mehr um ihre finanzielle Situation kümmern und für neue Familienmodelle kämpfen.
SWONET: Wie betrachtest Du Karriere, früher und heute?

Als ich Kinder bekam, war ich als Frau schon froh, dass ich Teilzeit weiterarbeiten durfte. Ich musste meiner Chefin damals jedoch mit einer Liste meiner Beiträge beweisen, dass ich trotz meines Teilzeitpensums noch gleich effizient war wie die Männer auf der Redaktion. Heute sind die Aufstiegschancen auch mit Teilzeitpensen besser und einige meiner jüngeren Arbeitskolleginnen haben es mittlerweile in die Chefetage geschafft. Das freut mich sehr.

 

SWONET: Was ist Dein Rat für Berufseinsteigerinnen oder Gründerinnen?

Besucht Finanzbildungsseminare, macht euch schlau und sucht euch einen Partner aus, der eure Wertehaltung bezüglich Gleichberechtigung und Familienmodelle mitträgt. Ruth Bader Ginsburg hat einmal gesagt, hätte sie nicht einen Mann an ihrer Seite gehabt, der sie wirklich unterstützte, hätte sie es nie so weit gebracht. Das gilt heute noch…

 

SWONET: Wie startest Du in den Tag?

Mit einem Kaffee und einem Blick in meine Agenda… und wenn’s geht, mit einem kleinen Workout.

 

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