Wechseljahre vs. Pubertät – es tobt der Kampf der Hormone!

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watson.ch – Sandra Casalini

Dass es karrieremässig eine doofe Idee war, mit Ende 20 Kinder zu bekommen, weiss ich schon lange. Dass es auch hormontechnisch blöd ist, merke ich jetzt – Wechseljahre und Pubertät sei Dank, treffen grad ziemlich viele der Biester aufeinander in unserem Haushalt. Das hat aber auch sein Gutes.

«Hast du einen Tampon?», flüstert mir meine Tochter zu. Hab ich. Noch einen einzigen. Ich blute grad selbst wie ein Wasserfall, schon seit zwei Wochen. «Hast du nicht gewusst, dass du deine Tage bekommst?», gifte ich leise. «Sie sind viel zu früh», sagt sie leise. Und verzweifelt. Natürlich gebe ich ihn ihr. Bleibt zu hoffen, dass es in diesem Restaurant nachher genügend WC-Papier hat. Eine Apotheke oder ein Laden sind weit und breit nicht in Sicht. Wir sind an der Beerdigung meiner Grossmutter.

Pubertät 2.0

Die verdammten Wechseljahre machen mich fertig. Ich hasse alles an ihnen. Die hormonellen Veränderungen, die körperlichen, die psychischen. Aber: Je länger, je mehr merke ich, dass ich mich in einer Art Pubertät 2.0 befinde. Und das hat tatsächlich auch was Gutes: Ich kann meine pubertierenden Kinder in einer Art und Weise nachvollziehen, wie das vorher nicht der Fall war. Auch wenn ich selbst mal ein Teenie war – diese Zeit ist so lange her, dass ich mich nur noch sehr vereinzelt an Dinge erinnere.

Aber jetzt trifft mich alles wieder, volle Breitseite. Die Blutungen. Zuerst fünf Wochen lang gar keine – was war das toll. Dann ging’s mal wieder los. In den letzten vier Wochen hab ich genau vier Tage lang nicht geblutet. Dazwischen mal stärker, mal schwächer, aber meist so fest, dass ich innerhalb einer Stunde einen Tampon durchblutete. (Was bin ich dankbar fürs Homeoffice, ich weiss nicht, wie ich so hätte ins Büro sollen. Oder Zug fahren.) Zwischendurch lag ich gemeinsam mit meiner Tochter jammernd auf dem Sofa, eine Wärmeflasche am Bauch, eine im Kreuz. Dafür, dass ihr in dem Zustand der Sinn nicht nach Sportunterricht stand, habe ich vollstes Verständnis.

Als würde ich aus der Haut platzen

Auch die körperlichen Veränderungen sind nicht ganz ohne. Mein Sohn ist vergangenes Jahr über 10 Zentimeter gewachsen – und immer wieder mal flachgelegen vor lauter Gelenkschmerzen. Dass beide mehr oder weniger täglich ihr Gesicht panisch nach Pickeln absuchten, habe ich liebevoll belächelt. Und jetzt? Krieg ich die Krise, sobald irgendwo bei mir ein Fleck auftaucht, der da nicht hingehört. Ganz zu schweigen davon, dass ich mich immer wieder mal fühle, als würde ich aus meiner Haut platzen. Es gibt Tage, da fühle ich mich, als hätte ich zu enge Klamotten an, selbst wenn ich nackt bin. Dann würde ich mich am liebsten den ganzen Tag in meinem Zimmer verkriechen – genau wie meine Teenies.

 

«Wer werde ich, wenn ich meine Weiblichkeit nicht mehr über meine Mutterrolle und meine Fruchtbarkeit definieren kann?»

 

Seit mich mein Körper so stresst, verstehe ich gut, dass ihrer es bei ihnen auch tut. Vermutlich sogar mehr als bei mir – ich habe immerhin eine gewisse Erfahrung und weiss, dass Dinge vorbeigehen. Sie haben diese noch nicht. Und dann die Psyche. Meine Kinder sind dran, ihren Platz in der Gesellschaft zu finden. Wer sind sie, wer wollen sie werden, wer wollen sie sein, wenn sie, gefühlt von heute auf morgen, keine Kinder mehr sind?

Wie verängstigend dieser Prozess für sie ist, kann wohl gerade niemand besser nachvollziehen als ich. Wer bin ich für meine Kinder, wenn ich nicht mehr die Mama bin, die ihren Weg mitbestimmt, für sie sorgt, Entscheidungen trifft? Wer werde ich, wenn ich meine Weiblichkeit nicht mehr über meine Mutterrolle und meine Fruchtbarkeit definieren kann? Wer möchte ich sein, wenn ich die Freiheit habe, mich unabhängig von meiner Mutterrolle und meiner Fruchtbarkeit zu definieren?

Ich bin nicht allein

Da sind wir nun also, wir drei, im Kampf mit unseren Hormonen, unseren Körpern, unseren Psychen. Ich verstehe jede zugeknallte Tür, jeden Heulkrampf, jeden Meltdown wegen eines Pickels. Ich weiss nicht, ob ihnen das hilft. Ironischerweise hilft es mir. Weil ich nicht alleine bin. Vielleicht war es ja doch genau der richtige Zeitpunkt, um Kinder zu bekommen.

 

Der Artikel von Sandra Caselini

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