#aufbruch – Geheuchelte Solidarität

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Blick.ch – Patrizia Laeri – 

Einmal im Jahr überbieten sich Weltkonzerne im Feiern der Toleranz gegenüber nicht heterosexuellen Menschen.

Doch abseits von Regenbogen-Logos ist es mit dem Engagement nicht weit her.

Liebe ist Liebe. Friede, Freude, Eierkuchen.

Und überhaupt: Wir sind alle eine grosse Familie. Offen und tolerant.

Zumindest einen Monat lang.

Im Juni.

Marketingabteilungen der Konzerne überbieten sich derzeit mit Regenbogen-Inseraten und Aufrufen zu Toleranz und Offenheit gegenüber nicht heterosexuellen Menschen. Sie schalten ihre Logos auf Social Media auf Regenbogenfarben. Oder bieten gleich eine vielfarbige Produktkollektion. Dekoriert mit den Buchstaben LGBTQAI+. Sie stehen für lesbisch, schwul, bisexuell, trans, queer, a- und intersexuell.

 

Sogar Waffenkonzerne machen mit
Auch die eigens entworfenen Lego-Figürchen «Alle sind fantastisch» leuchten neu in Spektralfarben. Vor allem Mode- und Kosmetiklinien glitzern im Juni gern mal bunt – bis hin zur Unterhose von Calvin Klein. Doch nur einige wenige spenden einen Teil dieser Extraeinnahmen an Organisationen, die LGBTQAI+-Menschen unterstützen, beispielsweise Reebok.

Dieses Jahr tanzen im farbigen Marketingreigen auch Erdöl- und Waffenkonzerne wie BP, Chevron oder Raytheon mit. Bombenhersteller für ein friedliches Miteinander: «Schützt die Liebe». Oft sind die Kampagnen so offensichtlich hohl, dass es schmerzt.

 

Der Pride-Monat wird kommerziell ausgeschlachtet

Keine Frage: Es ist wichtig, nicht heterosexuelle Menschen sichtbar zu machen, laut und grell. Oft genug aber scheinen Solidarität und Offenheit geheuchelt. Die gefeierte Vielfalt und das Anderssein aufgesetzt.

Seit Jahren kritisieren Aktivistinnen, dass der Pride-Monat kommerziell ausgeschlachtet wird. Das Ziel der Konzerne ist mehr Geld und nicht mehr Menschenrechte. Daten zeigen, dass die Offenheit in den Werbebroschüren grösser ist als am Arbeitsplatz. Lohnunterschiede, sogenannte Pay-Gaps zwischen Männern und Frauen, zwischen Weissen und Minderheiten, sind ein grosses Thema.

 

Massive Lohnunterschiede
Doch kaum ein Medium schreibt über den Transgender-Pay-Gap. Er beträgt für Transfrauen brutale 32 Prozent. Und bei jungen queeren Menschen verglichen mit heterosexuellen zwölf Prozent. Kaum eine Firma ist interessiert genug, Daten zu erheben und die Situation von LBTQAI+-Angestellten wirklich zu verbessern und Diskriminierung zu stoppen. Eine amerikanische Studie hat beispielsweise gezeigt, dass Männer Lebensläufe klar schlechter bewerten, wenn LGBTQAI+-Engagements aufgeführt werden.

Das Ausgrenzen beginnt bei der Rekrutierung. Arbeitgeber unterschätzen das Thema immens. Drei Viertel der Generation Z beschäftigt das Thema. Das zeigt eine aktuelle deutsche YouGov-Studie. Sie hat ergeben, dass neun von zehn jungen Menschen mit dem Einsatz des Arbeitgebers für die queere Community nicht zufrieden sind und sich einen offeneren Umgang wünschen.

 

Es geht um Menschenrechte
Auch Schweizer Firmen wie Swisscom oder Logitech verpassen sich einen Monat lang einen lustigen, regenbogenfarbenen Anstrich. Aber für die «Ehe für alle» ergreifen sie nicht Partei. Und Autohersteller wie BMW und Mercedes fahren im Westen gerne auf dem farbigen Trittbrett mit, die Social-Media-Konten für den Mittleren Osten oder Asien bleiben hingegen regenbogenfreie Zonen. Genau dort, wo nicht heterosexuelle Menschen am meisten unterdrückt und bestraft werden.

Weltoffenheit und Toleranz seien unumstritten – von wegen. Die Pride-gewaschenen Botschaften verlieren leider an Kraft, verkommen zu einer verharmlosend bunten Abwechslung im Corporate Design. Die hässlichen, unterdrückerischen, diskriminierenden und teilweise gar tödlichen Folgen für queere Menschen rücken hinter die Marketing-Glitzer-Fassade. Diese Verharmlosung ist unhaltbar. Die Pride-Bewegung ist eine Menschenrechtsbewegung. Es braucht weitreichendes und wahres Engagement der Firmen. Das ganze Jahr. #aufbruch

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