«Wir sehen in diesem Jahr den Trend hin zu einem Plateau»

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watson.ch – Seit 2018 leitet Céline Fallet (34) als Geschäftsführerin die Geschicke der grössten Crowdfunding-Plattform Wemakeit. Das Geschäft mit der Schwarmfinanzierung kennt sie indes bereits seit ihrem Studium an der ZHdK. Hier spricht sie über den Crowd-Takeover und warum sie trotz transparentem Lohnmodell ihren Lohn nicht einfach verrät.

Mit über 500’000 Nutzern ist Wemakeit die mit Abstand grösste Crowdfunding-Plattform der Schweiz und eine der grössten Europas. Céline Fallet hat sich bereits in den Anfängen 2012 in ihrer Bachelorarbeit an der ZHdK mit der Plattform und Crowdfunding auseinandergesetzt und war massgeblich an deren Aufbau beteiligt. 2018 hat die Bielerin schliesslich die Co-Geschäftsführung übernommen. In den letzten Monaten machte die Plattform vor allem durch den Crowd-Takeover auf sich aufmerksam: Die beiden Gründer und bisherigen Besitzer Johannes Gees und Rea Eggli haben ihre gesamten Anteile an die Community verkauft beziehungsweise verschenkt.


Céline, der Crowd Takeover war ein Erfolg. Die Aktien gingen gut weg. Aber was ändert sich für euch im Team?
Céline Fallet: Vor allen Dingen auf emotionaler Ebene – Wemakeit gehört nicht mehr primär Johannes und Rea. Wir werden mehr mit den neuen Eigentümer:innen im Austausch sein, mit unserer Community. Unsere Crowd soll künftig mit eingebunden werden. Wir sind nicht mehr abhängig von den Mehrheitseigner:innen, sondern im Austausch mit der Crowd. Das ist auch für uns in der Geschäftsführung Neuland.

Wenn von Emotionalität die Rede ist, klingt das auch ein wenig nach Marketing.
Nein. Wenn es ein Marketing-Gag wäre, hätten wir diese Vision nicht schon seit den Anfängen von Wemakeit verfolgt. Wir mussten einfach den richtigen Zeitpunkt abwarten. Ausserdem hätten wir für eine Marketingmassnahme nicht eineinhalb Jahre in diesen Takeover investieren können. Er kommt von Herzen.

Wie wurdet ihr Mitarbeitenden beteiligt?
85 Prozent der Aktien wurden der Crowd verkauft und 15 Prozent dem Team verschenkt, damit bin auch ich Anteilseignerin.

Die Zahlen 2021 sind eindrücklich: +31 Prozent gegenüber dem Vorjahr, fast 800 Millionen Franken wurden gemäss Crowdfunding-Monitor 2022 der Hochschule Luzern in Crowdfunding-Projekte investiert. Ist irgendwann der Gipfel erreicht?
Das ist kaum abzuschätzen. Aber grundsätzlich beobachten wir, dass das Wachstum in Schüben erfolgt. Wir haben auch bei Wemakeit schon sehr grosses Wachstum erlebt, etwa am Anfang, dann kam eine Plateau-Phase. Während Corona sind wir wieder stark gewachsen, nun sind wir in der Post-Corona-Zeit, auch wenn das Virus noch nicht verschwunden ist. Crowdfunding reagiert extrem sensitiv darauf, was in der Gesellschaft passiert. Das haben wir in den letzten 2 Jahren deutlich erlebt. Daher sehen wir in diesem Jahr den Trend hin zu einem Plateau. Die Solidarität infolge Corona hat wieder deutliche abgenommen, aber es gab auch eine Verlagerung: Nun verzeichnen wir eine Welle von Unterstützungsprojekten zugunsten der Ukraine. Aber nicht in dem Ausmass wie im Lockdown.

Du bist seit 4 Jahren Co-Geschäftsführerin. Da geht es nicht immer aufwärts. Gab es auch Schocks?
(Überlegt länger) Nein, eigentlich nicht. Der erste Lockdown war speziell, da wir nicht wussten, was auf uns zukommt. Die Umstellung an sich war kein Problem, da wir bereits vorher komplett remote arbeiteten. Aber mit der Solidaritätswelle legten sich dann auch schnell unsere Zweifel, was die Projekte anbelangten. Wie bereits erwähnt, es folgte gar eine grosse Zunahme.

Frauen sind gemäss Studien die deutlich erfolgreicheren Crowdfunderinnen und erreichen höhere Zielsummen als der Durchschnitt. Wie erklärst du dir das?
Diese Frage taucht immer wieder auf. Ich finde sie schwierig zu beantworten, denn wer wie viel Geld sammelt, hängt immer vom einzelnen Projekt ab. Aber generell kann ich mir vorstellen, dass weiblich gelesene Personen, die ein Projekt starten, eine starke Community mitbringen. Auch die Solidarität in Frauennetzwerken ist sehr gross und in den letzten Jahren zusätzlich gewachsen.

 

«Die Solidarität in Frauennetzwerken ist sehr gross und in den letzten Jahren zusätzlich gewachsen.»

 

Ist es daher auch kein Zufall, dass die Geschäftsführerin von wemakeit eine Frau ist?
Schöne Frage. Das ist natürlich ein Punkt: Unserer Gründerin Rea Eggli war Frauenförderung immer ein Anliegen. Daher sind wir mehr weiblich als männlich gelesene Personen im Team. Und es ist auch kein Zufall, dass eine Frau die operative Geschäftsführerin ist.

Ihr habt bei Wemakeit ein sehr transparentes Lohnmodell. Gilt das auch nach aussen, also kommunizierst du deinen Lohn?
Ja, es ist ein transparentes Lohnmodell. Wir haben es dieses Jahr etabliert und werden es weiterentwickeln. Aber das heisst nicht, dass unsere Löhne transparent sind. Wir können nach einem Punktesystem errechnen, wer was erhält, sodass keine Verhandlung nötig ist. Aber das heisst nicht, dass auf Anfrage ein Lohn kommuniziert wird, das behalten wir intern.

Du hast vor über einem Jahr die Crowdinvesting-Plattform Oomnium mit ins Leben gerufen. Wie ist diese angelaufen?
Wir konnten in dieser Zeit einige Erfahrungswerte einholen, haben die Plattform aber noch nicht lanciert.

Warum nicht?
Es sind verschiedene Faktoren: Primär wollten wir uns intern voll auf den Crowd Takeover konzentrieren, weil das gleichzeitig auch unser Pilotprojekt war für Oomnium, mit welchem wir viele wichtige Erfahrungen im Bereich Crowdinvesting sammeln konnten.

Wann startet ihr nun?
Unser Ziel ist der Launch Anfang nächstes Jahr. Das Interesse von Leuten, die Crowdinvesting-Projekte starten wollen, ist bereits gross. Gleichzeitig ist es eine Herausforderung, denn es ist ein total anderes Feld als Crowdfunding. Unser Ziel ist, dass wir auch in diesem Bereich Pionierarbeit leisten und der breiten Masse ermöglichen, auf einfache Art und Weise und mit kleinen Beträgen zu investieren.

Zum Schluss: Was ist der grosse Trend im Crowdfunding?
Bei Klimaprojekten hatten wir eine riesige Zunahme in den letzten Jahren und ein Ende ist nicht absehbar. Darunter sind grosse Projekte, wie unser eigener Impact Fund. Dann gibt es kleine Projekte unterschiedlichster Art, etwa für einen Kinderwagen zum Mieten, Kleider aus Plastikabfällen aus der Limmat, oder verschiedene Bauernhofprojekte. Das ist typisch für uns: Wir können in unterschiedlichsten Bereichen etwas bewirken.

Der Artikel von Guy Studer

illustration: fh schweiz/flavia korner

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