Wie sich die Wirtschaftselite ihr Netzwerk knüpft

Fokus

BILANZ – Anne-Barbara Luft – 

Kein Ort für Frauen und junge Wilde – während sich Privatclubs und verschwiegene Männerbünde neu erfinden müssen, hat die Wirtschaftselite von morgen längst ihre eigenen Netzwerke geknüpft.

Im Erdgeschoss der Villa Chiodera, wenige Schritte vom Zürcher Kunsthaus entfernt, befinden sich die Clubräume des neuesten und exklusivsten Frauennetzwerks der Schweiz: The Boardroom. Holzgetäfelte Decken, grüne Bankierlampen und Servierwagen mit Kristall-tumblern – es mutet ein wenig wie ein britischer Old Boys’ Club an. Doch statt des braunen Chesterfield-Ledersofas finden sich im Clubhaus an der Rämistrasse samtbezogene Sesselchen, an den Wänden hängen Drucke der polnischen Art-déco-Künstlerin Tamara de Lempicka von starken, unabhängigen Frauen.

Für genau solche sind diese Räume gemacht.

Hier trifft sich die weibliche Wirtschaftselite zum Networking und Coaching, um sich fit für die männerdominierten Schweizer Verwaltungsräte zu machen. The Boardroom ist eines von zahlreichen neuen Netzwerken für Frauen, Entrepreneure, junge Talente und all diejenigen, die sich in den etablierten Clubs fehl am Platz fühlen.

Youngster Clubs

Die Welt der Clubs und Netzwerke ist heute fragmentiert, vielschichtig und divers. Die Zahl der Communities steigt in bisher ungekanntem Tempo – allein 80 Wirtschaftsnetzwerke gibt es inzwischen in der Schweiz, die exklusiv für Frauen sind. Eine Vielzahl von Foren richtet sich an Gründer, Technologie-Experten oder Absolventen der Top-Kaderschmieden.

Junge Selfmade-Millionäre haben es nicht nötig, auf eine Einladung in den Zürcher Club zum Rennweg zu warten. Potenzielle Mentoren, Investoren und Gleichgesinnte treffen sie nicht mehr nur bei Rotary, den Lions oder dem Donnerstag-Club. Auch viele Frauen haben es aufgegeben, sich in Old Boys’ Clubs einen Platz zu erkämpfen, und organisieren sich heute selbst.

Jüngstes Beispiel ist The Boardroom. Ins Leben gerufen mit dem Ziel, den Frauenanteil in Schweizer Verwaltungsräten auf 50 Prozent anzuheben. Die geeigneten Kandidatinnen für das nächste freie Verwaltungsratsmandat werden von Gründerin Diana Markaki handverlesen. Es sind allesamt Kaderfrauen – Geschäftsleitungslevel oder eine Stufe darunter – mit durchschnittlich 20 Jahren Berufserfahrung. Um die Vielfalt zu sichern, sollen Branchen, Firmen und Profile nur einmal vertreten sein. Seit dem Start im Oktober zählt der Club bereits 85 Mitglieder – bei 100 ist Schluss.

Markaki, selbst Mitglied in einigen gemischten Clubs, fühlt sich dort oft nicht wohl. «In einem Club mit 80 Prozent Männern in Top-Positionen kann ich nicht authentisch und verletzlich sein», sagt Markaki. The Boardroom schaffe einen sicheren Raum, in dem sich Frauen austauschen und unterstützen könnten, ohne ständig Stärke zu markieren.

Für viele Absolventen von Elite-Universitäten und Top-MBA-Schulen sind die Alumni-Netzwerke wichtige und nützliche Anlaufstellen, deren besondere Attraktivität die internationale Ausrichtung ausmacht. Ein Master of Business Administration (MBA) macht nicht nur fit für eine Führungsposition, sondern ist auch eine Chance, ein wertvolles Netzwerk zu knüpfen – für das Who is who von morgen oft zwei gleich starke Argumente. Viele Alumni-Clubs, wie etwa das sehr gut organisierte Netzwerk der Universität St. Gallen (HSG), bieten ihren Mitgliedern Stellenplattformen, Weiterbildungen, Konferenzen und vieles mehr.

HSG-Alumni

Alumni-Clubs haben naturgemäss eine sehr gute Durchmischung hinsichtlich Alter und Geschlecht und erfüllen daher den Wunsch der jüngeren Generation nach Diversität. Als unzeitgemäss empfinden viele junge Talente den Gedanken der Exklusivität im traditionellen Sinn. «Gewisse Clubs sind heute noch sehr uniform. Es finden sich dort Personen mit ähnlichem sozialem Hintergrund und Werdegang.

Das passt in Zeiten von Diversität und Inklusion für viele Führungskräfte der nächsten Generation nicht mit einem modernen Netzwerkgedanken zusammen», sagt Simon Steiner, Kadervermittler bei BiermannNeff. «Wenn immer dieselben Leute ein und aus gehen, dann entwickeln sich diese Clubs auch nicht weiter», urteilt HR-Experte Steiner.

Nix inclusive

Dies trifft wohl noch zum Teil auf das Netzwerk-Restaurant «Clé de Berne» zu, wo die Polit- und Wirtschaftsprominenz an der Berner Schauplatzgasse diniert. Ebenso auf den «Club de Bâle», der ebenfalls für Exklusivität und Luxus steht. Seit 2014 treffen sich die 130 Mitglieder – derzeit sogar 135 – im feinen Clubhaus am Rheinsprung 5. Dort pflegen sie ihr Netzwerk, halten Sitzungen ab oder geniessen ein gediegenes Essen mit Blick auf den Rhein. Denn den Jahresbeitrag von 12’000 Franken kann man kulinarisch einlösen.

 

Um im Umfeld immer neuer Netzwerke einen festen Platz zu behalten, müssen die traditionellen Serviceclubs über die Bücher. Ihnen haftet immer noch – dies allerdings zu Unrecht – das Image an, hier würden sich ältere Männer gegenseitig einen Gefallen tun und Posten und Aufträge zuschieben. Tatsächlich stehen bei Rotary, Lions oder Kiwanis weniger berufliche Seilschaften als das soziale Engagement und private Freundschaften im Vordergrund.

Punkto Altersstruktur und Frauenanteil sehen aber viele Clubs Handlungsbedarf. «Die zigarrenrauchenden älteren Herren, die sich zu eleganten Mittagessen treffen – das spiegelt nicht Rotary von heute», sagt Urs Herzog, ehemaliger Governor von Rotary in der Schweiz. So wurde Mitte Oktober der neue Rotary Club Basel am Rhein gegründet. Die 34 Mitglieder sind allesamt Frauen, die sich für das Thema «Empowering Women and Children» starkmachen – es ist der erste reine Frauenclub von Rotary in der Schweiz.

Auch der neue Weltpräsident von Rotary InternationalShekhar Mehta, ist Mentor von «Empowering Women». Seit Mitte der 1990er Jahre sind Frauen bei Rotary als Mitglieder willkommen. Der Anteil der Rotarierinnen in der Schweiz liegt derzeit bei knapp 14 Prozent – weltweit sind es 25 Prozent. Anders sieht es bei den jungen Mitgliedern aus: Da machen Frauen bereits mehr als 40 Prozent der Schweizer Rotarier aus.

Seit diesem Jahr steht Umweltschutz in der Liste der Schwerpunktthemen. «Zum einen möchte Rotary auch beim Schutz der Umwelt einen positiven Beitrag leisten, zum anderen ist es ein attraktives Thema, mit dem sich junge Mitglieder identifizieren können», sagt Herzog.

 

Als Experten im Netzwerken gelten Selfmade-Millionäre und solche, die es werden wollen. Für diese hat der Zürcher Wirtschaftsanwalt Thomas Ladner 1999 den Entrepreneurs’ Roundtable ins Leben gerufen. Beim Erfinden exklusiver Clubs war Ladner ohnehin sehr fleissig: Er war Gründungsvorsitzender des Clubs zum Rennweg und der World Minds Foundation sowie Gründungs-Vizepräsident des Grasshopper Griffith Club – der jüngeren Antwort auf den in die Jahre gekommenen Donnerstag-Club.

Beim Entrepreneurs’ Roundtable treffen sich die 99 Mitglieder, um ihre Gedanken zu politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und persönlichen Fragen frei auszutauschen. Im Advisory Board der Schweiz sitzen namhafte Persönlichkeiten der hiesigen Wirtschaft: UBS-Verwaltungsrat Reto Francioni, Roche-Präsident Christoph Franz und SBB-Präsidentin Monika Ribar. Inzwischen gibt es den Club in vier europäischen Ländern. Das Durchschnittsalter der Mitglieder dürfte inzwischen bei Mitte 50 liegen.

Für Gründer und Gründerinnen, die das weniger betagte und elitäre Umfeld schätzen, gibt es in der Schweiz ausgezeichnete Anlaufstellen wie den Impact Hub Zürich oder die ZID Community in Bern, die etwa Léa Miggiano zu den besten Initiativen in diesem Bereich zählt. «Die Community des Zentrums für Innovation und Digitalisierung ist nicht auf Einzelpersonen ausgerichtet, sondern zu den Mitgliedern zählen bereits über 50 Start-ups und deren Teams», sagt die Mitgründerin und Marketingchefin von Carvolution.

 

«Während Männer möglichst viele Menschen kennenlernen möchten, suchen Frauen in Netzwerken tendenziell Freunde.»

ALKISTIS PETROPAKI, GESCHÄFTSFÜHRERIN DES FIRMENNETZWERKS ADVANCE

 

Von Eventreihen über Workshops bis zu einer Austauschplattform gibt es für Mitglieder einiges. Die Swiss Startup Association ist ebenfalls einzig auf Jungunternehmen ausgerichtet. Auch dort könne man sich sehr gut vernetzen, sagt Miggiano, die bei der Swiss Startup Association im Advisory Board ist. Auch Melanie Gabriel, Co-Founder und CMO von Yokoy, wird mit den altbekannten Netzwerken nicht warm.

Darum stiess die 32-Jährige 2019 als Boardmember zu We Shape Tech, einer Organisation, die Frauen und Menschen mit diversen Backgrounds vernetzt durch Events, Role Model Keynotes, Crashkurse in Tech-Themen und auch mit Unternehmen zusammenarbeitet, um mehr Diversität in die Tech- und Innovationsbranche zu bringen.

Die junge Wirtschaftselite trifft sich ausserdem an Konferenzen, Tagungen und Workshops – hier begegnet sie ihresgleichen zum Austausch, zum Netzwerken und zur Pflege der Geschäftsbeziehungen. Der Netzwerk-Gedanke ist bei solchen Anlässen oft wichtiger als die Veranstaltungsthemen selbst. «An Konferenzen wie der Crypto Finance Conference in St. Moritz, dem Asset Rush von GenTwo oder den Crypto Valley Top 50 treffe ich meine Kontakte», sagt Carla Bünger, CEO von KORE Technologies.

Von Frau zu Frau

«Uns haben interessante und anspruchsvolle Anlässe gefehlt, an denen sich Frauen in einer entspannten Runde regelmässig treffen können», erzählt Anne Kerstin Aeberli. Vor fünf Jahren initiierte die ehemalige UBS-Bankerin daher zusammen mit einer Freundin den Women’s Circle, der heute mehr als 300 Mitglieder hat. Neumitglieder können sich online bewerben und werden dann vom Vorstand ausgewählt.

Das Team von Women’s Circle organisiert Vorträge und Talks zu aktuellen Themen aus Wirtschaft, Politik, Umwelt und Kultur. Neben Mitgliederanlässen gibt es öffentliche Events, die im Zürcher Zunfthaus zur Saffran stattfinden. Hier werden Themen wie Cancel Culture, künstliche Intelligenz oder Vorsorge mit prominenten Gästen diskutiert.

Der Women’s Circle

Neu bietet der Verein auch Lunchtalks an, die sich noch stärker Karrierethemen widmen. «Das ist eine besonders gute Tageszeit für berufstätige Mütter», sagt Aeberli, die selber Beruf und Familie unter einen Hut bekommen musste. Ebenso wichtig wie die Vorträge und Panels ist das anschliessende Netzwerken – eine gute Gelegenheit für jüngere Frauen, potenzielle Mentorinnen mit vielen Jahren Berufserfahrung zu treffen, denn zu den Mitgliedern zählen namhafte Wirtschaftsfrauen.

Leading Ladies

Wer Glück hat, den nimmt Sandra-Stella Triebl unter ihre Fittiche. Die Gründerin und Verlegerin des Magazins «Swiss Ladies Drive» gilt als die am besten vernetzte Frau der Schweiz. Triebl hat drei Businessclubs für Frauen aufgebaut. Neben dem Bargespräche Club Zürich und dem Bargespräche Club Privé gibt es seit 2007 die League of Leading Ladies.

Zu dieser starken Community aus Wirtschaftsfrauen, zu der auch Jungunternehmerin Miggiano zählt, ist der Zugang nur auf Einladung möglich. «Es sind sehr diverse Teilnehmerinnen aus verschiedenen Branchen und Ländern in der Business Sisterhood. Der Club organisiert gemeinsame Abendessen für den lockeren Austausch, aber auch Konferenzen, mit dem Ziel, sich gegenseitig beruflich in der Karriere zu stärken», berichtet Miggiano.

Das Geschäftsmodell der drei Clubs basiert auf Networking und gegenseitiger Unterstützung. Das ist vor allem deswegen wichtig, weil Frauen anders netzwerken als Männer: «Während Männer möglichst viele Menschen kennenlernen möchten, suchen Frauen in Netzwerken tendenziell Freunde», hat Alkistis Petropaki, Geschäftsführerin des Firmennetzwerks Advance, beobachtet.

Hinzu kommt, dass Frauen meistens auf der gleichen Hierarchieebene netzwerken, wohingegen Männer weniger Angst haben, auch zwei Stufen weiter oben Kontakte zu knüpfen. «Um Zugang zu Spitzenpositionen zu bekommen, ist das natürlich ganz entscheidend», sagt Petropaki.

Advance ist ein Firmennetzwerk, das Cross-Company-Events, Leadership-Workshops und Networking-Anlässe für Frauen organisiert. Mehr als 130 Firmen in der Schweiz sind bereits Mitglied. Gerade für Frauen ist es wichtig, Vorbilder zu sehen – einer der grössten Nutzen von Frauennetzwerken. «You can’t be what you don’t see», erklärt Petropaki.

Oft wollten Frauen nicht ins Topmanagement, weil sie dort nur ältere Männer sähen. Abhilfe schaffen da auch die Mentoring-Programme von Advance. Junge talentierte Frauen werden einer erfahrenen Führungsperson für ein Jahr an die Hand gegeben. Inzwischen gibt es 90 solcher Paare. Für Alkistis Petropaki hat in der Welt der Clubs und Netzwerke ein neues Zeitalter begonnen, in dem sich Alumni-Clubs und Serviceclubs wie Lions oder Rotary neu erfinden müssen.

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Bild Quelle: Getty Images

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