Ungeschminkte Kinderarmut

Fokus

Horizonte das Schweizer Forschungsmagazin – Elise Frioud

Kinder denken sich eine Szene vom Pausenplatz, um auf das Thema Armut aufmerksam zu machen.

«Kein Znüni, keine Pause»: Dieses Bild ­entstand im Rahmen des Projekts «Meine Stimme in Bildern» unter der Aufsicht von Sylvia Garcia Delahaye, Sozialarbeiterin und Professorin an der Hochschule für ­soziale Arbeit in Genf. Ziel des Projekts war es, die Kinderarmut in der Schweiz dar­zustellen.

Das Besondere daran: Kinder im Alter von sieben bis elf Jahren haben das Bild realisiert – die partizipative Methode soll ihnen eine Stimme geben.

Das Thema Essen und die Sticheleien gegen Kinder, die in der Pause kein Znüni dabei haben, stehen im Mittelpunkt dieses Werks, das für die Ausgabe 2023 des SNF-Wett­bewerbs für wissenschaftliche Bilder ein­gereicht wurde. Ein Kind, das diese Art von Mobbing selber erlebt hatte, dachte sich die Szene aus und lichtete sie unter Anleitung einer professionellen Fotografin ab. Die Kinder tragen in der gesamten Bildserie Mas-ken. Delahaye erklärt, dass diese eine doppelte Funktion haben: Sie garantieren die Anonymität der Personen, die Modell standen, und sie machen die Emotionen durch die expliziten Gesichtszüge verständlicher. Die Forscherin, die sich intensiv mit Kinderarmut beschäftigt, war überrascht, dass die Kinder die Problematik der Ver­pflegung im Zusammenhang mit Armut zur Sprache brachten. Für sie ist dies ein Zeichen, dass das Recht auf Nahrung auch in der Schweiz Teil des schulischen Bildungs­programms sein sollte, wie es teilweise in sogenannten armen Ländern der Fall ist.

 

«Durch die Distanzierung war es ihr möglich, ihre Geschichte in Bildern zu erzählen.»

Sylvia Garcia Delahaye

 

Die Kinder erinnern mit dem Bild die Erwachsenen daran, dass sie in der Schule nicht wegen Armut gemobbt werden wollen. Das Mädchen, das das Foto aufgenommen hat, betonte, wie wichtig es ist, an sich selbst zu arbeiten, wenn man Opfer von Mobbing wird, damit man erkennt, dass die Gemeinheiten der anderen nichts mit einem selbst zu tun haben. «Durch diese Distanzierung war es ihr möglich, ihre Geschichte in Bildern zu erzählen», so Delahaye.

Der Artikel wurde von Horizonte dem Schweizer Forschungsmagazin zur Verfügung gestellt.

Foto: Sylvia Garcia Delahaye und Valérie Frossard

 

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