„Schweizer Nobelpreis“ für Ursula Keller

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Die Physikprofessorin Ursula Keller hat den Schweizer Wissenschaftspreis Marcel Benoist für ihre bahnbrechenden Arbeiten zu Ultrakurzpulslasern erhalten. Ihre theoretischen Modelle und experimentellen Entdeckungen haben immer wieder die Grenzen der Ultrakurzpulslaserphysik getestet.

Seit der Erfindung des Lasers nutzen Wissenschaftler die Technologie, um beispielsweise Materialien zu transformieren. Leider war dies mit Dauerstrichlasern nicht möglich, da diese zu ungenau und für hitzeempfindliche Materialien ungeeignet waren. Die letztendliche Lösung war die Verwendung eines gepulsten Laserstrahls, obwohl dies eine komplexere Technologie erforderte. ETH-Professorin Ursula Keller löste das Problem durch den Einsatz von Halbleitern und erfand 1991 die SESAM-Technologie (Semiconductor Saturable Absorber Mirror).

Mit SESAM gab sie Wissenschaft, Industrie und Medizin ein neues Instrument an die Hand, das bisher unvorstellbar präzise Eingriffe ermöglichte. SESAM ermöglicht es, Lichtpulse von Festkörperlasern im Femtosekundentakt zu senden. Eine Femtosekunde entspricht einem Millionstel einer Milliardstel Sekunde (10 -15 ). In dieser unglaublich kurzen Zeit ist es beispielsweise möglich, die Bewegung von Atomen zu messen oder die Mechanismen chemischer Reaktionen zu untersuchen.

Als Professorin am Departement Physik hat Ursula Keller das SESAM-Konzept weiterentwickelt. Es gelang ihr auch, immer kürzere Laserpulse zu erzeugen, bis nur noch ein oder zwei Lichtschwingungen in einem Laserpuls enthalten waren. Allerdings waren diese Schwingungen nicht von einem Puls zum nächsten synchronisiert, was ein entscheidender Faktor für die Entwicklung weiterer Anwendungen war. Die Lösung dieses Problems führte zu einer Revolution in der Frequenzmessung und zur Erfindung der genauesten Uhren der Welt: der „optischen Uhr“ und der „attoclock“. Mit der optischen Uhr lässt sich die Zeitmessung im Vergleich zu bestehenden Standards um etwa den Faktor fünf verbessern. Die Atto-Uhr ist so genau, dass sie grundlegende Prozesse der Quantenmechanik messen kann,

 

“Ich möchte meiner unglaublichen Forschungsgruppe sowie allen Postdocs, Doktoranden und externen Partnern danken, die diese Arbeit ermöglicht haben.”

 

«Der Inbegriff für Schweizer Exzellenz in der Forschung»

Wissenschaftler sehen den mit 250’000 Franken dotierten Marcel-Benoist-Preis als eine Art Schweizer Nobelpreis. Er wird zusammen mit dem Preis der Fondation Latsis vergeben und soll am 3. November 2022 überreicht werden. Der Latsis-Preis für junge Forschende bis 40 Jahre geht dieses Jahr an Professorin Kerstin Noëlle Vokinger von der Universität Zürich. Guy Parmelin, Bundesrat und Präsident der Marcel-Benoist-Stiftung, gratuliert den Preisträgern: „Wir freuen uns, unsere diesjährigen höchsten Schweizer Wissenschaftspreise an Ursula Keller und Kerstin Noëlle Vokinger zu vergeben. Beide sind herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und der Inbegriff schweizerischer Exzellenz in der Forschung.“

Natürlich freut sich auch Ursula Keller: «Es ist eine unglaubliche Ehre, den Marcel-Benoist-Preis für fast 30 Jahre angewandte und Grundlagenforschung an der ETH Zürich zu erhalten. Es ist auch der erste Wissenschaftspreis, den ich in der Schweiz erhalten habe. Ich möchte meiner grossartigen Forschungsgruppe sowie allen Postdocs, Doktoranden und externen Partnern danken, die diese Arbeit ermöglicht haben.

Diese Auszeichnung ist für mich etwas ganz Besonderes. Meine Ernennung zur ersten Physikprofessorin an der ETH Zürich, die direkt aus den USA kommt, war unter anderem einer Politik zu verdanken, mehr Wissenschaftlerinnen für Führungspositionen zu rekrutieren. Deshalb freut es mich besonders, dass diese Auszeichnung bestätigt, dass solche Initiativen wirklich dazu beitragen, Integration und Exzellenz zu fördern.“

Joël Mesot, Präsident der ETH Zürich, kommentiert, wie sehr die Professorin diese Auszeichnung verdient: «Ursula Keller ist eine herausragende Wissenschaftlerin. Als Pionierin der Ultrakurzpulslaserforschung hat sie in ihrem Fachgebiet viel bewirkt. Sie verkörpert die Qualität der Forschung, für die die ETH bekannt ist, ermöglicht durch die grosszügige Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds und der Institutionen des ETH-Bereichs, mit Mitteln des Bundes.»

 

Extrem vielseitige Technologie

Das Prinzip von SESAM hat die industrielle Anwendung von Kurzpulslasern ermöglicht. Heute werden sie in einer Vielzahl praktischer Anwendungen eingesetzt: zum Schneiden nahezu aller Materialien, zur Oberflächenbehandlung oder bei der Herstellung von Computern und Smartphones. Auch in der Medizintechnik kommen sie zum Einsatz, wo Laserpulse beispielsweise als Skalpelle bei Augenoperationen eingesetzt werden. Darüber hinaus kann die ultraschnelle Lasertechnologie bei der Entwicklung von hochpräzisen Messinstrumenten eingesetzt werden.

Der Artikel der ETH


Über Ursula Keller

Ursula Keller wurde 1959 in Zug, Schweiz, geboren und studierte Physik an der ETH Zürich. Anschliessend absolvierte sie ihren Master und PhD in Angewandter Physik an der Stanford University, USA. Ab 1989 arbeitete sie bei AT&T Bell Labs in New Jersey. 1993 wurde sie zur ausserordentlichen Professorin an der ETH Zürich und 1997 zur ordentlichen Professorin für Quantenelektronik ernannt. Von 2010 bis 2022 war Ursula Keller Direktorin des vom Schweizerischen Nationalfonds lancierten interdisziplinären Forschungsprogramms NCCR MUST (Molecular Ultrafast Science and Technology). 2012 gründete sie zudem das ETH Women Professors Forum, das sie bis 2016 präsidierte. Ursula Keller ist Trägerin zahlreicher Auszeichnungen für ihre Forschung, darunter der renommierte Europäische Erfinderpreis – die erste Frau, die den Preis des Europäischen Patentamts für ihr Lebenswerk erhielt. 2021 wurde sie zum Mitglied der National Academy of Sciences in den USA gewählt.

 

 

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