«Mami, hat Knäckebrot gerade Saison?» – mit Kindern über Klima & Co. reden

Fokus

watson.ch – Karin Keller – 

Ökologische Nachhaltigkeit ist unserer Gastautorin wichtig und sie möchte diesen Wert auch ihren Kindern mitgeben. Doch wie spricht man mit Vier- und Sechsjährigen über Erderwärmung und Biodiversität? Indem man die Theorie mit der Praxis verknüpft und jede Gelegenheit für ein Gespräch nutzt.

Es ist ein warmer Sommermittag und ich sitze mit den Kindern am Tisch. Wir essen vegane Nuggets, die Kinder spachteln begeistert. Plötzlich schaut der Sechsjährige vom Teller hoch und fragt: «Mami, was ist das für ein Tier?» «Gar keins», antworte ich, «die Nuggets sind aus Pflanzen.» «Wieso?», stellt der Nachwuchs die allumfassende Frage, die alle Eltern bestens kennen. «Wegen der Nachhaltigkeit», erkläre ich. «Weisst du, was das ist?»

Doch das hört mein Sohn schon nicht mehr, seine Mahlzeit ist beendet und Lego jetzt wichtiger. Bevor ich die Nachhaltigkeitsfrage meiner Tochter stellen kann, springt auch diese vom Hochstuhl und verschwindet im Kinderzimmer.

Weiterbildung für die ganze Familie

Die Episode macht mich nachdenklich. Wir versuchen als Familie möglichst nachhaltig zu leben. Doch verstehen die Kinder überhaupt, warum wir das tun? Wissen sie, was Klimawandel, Umweltschutz und Nachhaltigkeit sind? Wie kann ich ihnen das vermitteln? Ich kann mit gutem Beispiel vorangehen, da Kinder durch abschauen lernen. Doch reicht das? Müsste man nicht mehr erklären? Geht das überhaupt, wenn die Kinder noch klein sind und die Zusammenhänge so komplex?

Ich nehme die Herausforderung an. Mein Ziel: In den nächsten Wochen und Monaten will ich mit meinen Kindern so viel wie möglich über Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Klimawandel sprechen. Ob das klappt?

Das Fazit vorneweg: Nur reden alleine nützt nichts. Nach einigem Ausprobieren weiss ich, dass man das Gespräch mit konkreten Situationen verknüpfen muss. Dann ergeben sich sogar mit den Kleinsten (meine Tochter ist knapp vier) spannende Unterhaltungen und man lernt selber so einiges dazu.

Raus in die Natur, rein ins Gespräch

Die besten Gespräche über die Natur und ihren Schutz ergeben sich in der Natur. Ich treibe die Kinder also raus und halte Ausschau nach Lernmaterial. Eine Biene fliegt vorbei. Perfekt. Ich erkläre den Kindern, dass Bienen sehr wichtig für die Biodiversität sind. Die Kinder beobachten das Tierchen und hören aufmerksam zu. «Wenn die Menschen überall Asphalt hinbauen, dann finden die Bienen kein Essen mehr», doziert mein Sohn zusammenfassend. Und weiter:

«Und wenn die Bienen sterben, dann sterben auch wir.»

In den nächsten Wochen und Monaten gehen wir mit offenen Augen durch die Welt. Wir sehen im Herbst Rotmilane kreisen, die wegen der milden Winter nicht mehr in den Süden fliegen. Wir pflücken im warmen Oktober auf dem Balkon Cherrytomaten, die im verregneten Sommer nicht wachsen wollten.

Wir sprechen darüber, wann Tomaten Saison haben und meine Kinder lernen, dass es einen Unterschied zwischen natürlichen und verarbeiteten Lebensmitteln gibt. Als meine Tochter wissen will, wann das Knäckebrot Saison hat, merke ich noch einmal, wie komplex das Thema für die Kleinen ist.

An einem schönen Herbsttag spazieren wir auf dem Naturlehrpfad im nahen Park und erfahren, dass viele Tiere in höhere Lagen umziehen, weil es dort kühler ist:

«Weisch Mami, das ist das Problem mit den Eisbären. Am Nordpol kann man nicht höher gehen.»

Ein Dilemma: der Besuch im Zoo

Man kann sich darüber streiten, ob Zoos und Tierparks sinnvoll sind. Ich selber bin hin- und hergerissen. Wenn ich die Tiere in ihren Gehegen sehe, sträuben sich mir die Nackenhaare. Doch ich sehe auch einige Vorteile, die mir gerade in meiner Mission «Nachhaltigkeitsbildung» zugutekommen: Hier lernt man nicht nur viel über die Tiere und ihre Verhaltensweisen, sondern bekommt auch viele Infos zu Umweltthemen wie Lebensraumgefährdung, Klimawandel und dessen Auswirkungen auf die Tiere.

Als ich mit den Kindern den Zoo in Zürich besuche, sprechen wir bei den Papageien über Wilderei, bei den Orang Utans über Palmöl und bei den Pommes Frites über Recycling.

«Mami, warum hat es im Zoo immer so kleine Säckchen mit Ketchup und keine Glasflaschen?» «Gute Frage. Die Flasche könnte man recyclen. Weisst du, was recyclen bedeutet?» «Ja, wiederverwenden. Man kann zum Beispiel ein Velo vorne in die Recyclingmaschine reintun und dann sagen, was hinten rauskommen soll.» Ich muss sagen: An Erfindergeist mangelt es beim Nachwuchs nicht. Leider ist es nicht so einfach.

Wer die Umweltinfos ohne eingesperrte Tiere bekommen will, wird in Museen fündig. In den meisten Schweizer Städten gibt es Museen, die sich mit Natur befassen, oft haben sie Ausstellungen zu Themen wie Klimawandel etc. Wir haben im zoologischen Museum in Zürich, im Besucherzentrum des Wildnispark Sihlwald in der Nähe von Zürich und im Naturzentrum Thurauen (zwischen Winterthur und Schaffhausen) schon viel gelernt. Ein Besuch in der Umweltarena in Spreitenbach steht noch aus.

Umweltbildung geht auch drinnen

Je näher der Winter kommt, desto weniger habe ich Lust auf Ausflüge und desto weniger Lernmaterial gibt die Natur her.

Wir pilgern also in die Bibliothek und decken uns mit Büchern zu den Themen Umwelt, Klima und Natur ein. Und davon gibt es eine ganze Menge. Meine Kinder können noch nicht lesen, deshalb haben sie vor allem an den Wimmel- und Bilderbüchern Freude. Für grössere Kinder gibt es viele Zeitschriften und (Erstlese-)Bücher, die Umweltthemen behandeln. Als mein Sohn eines Nachmittags der kleinen Schwester das Wimmelbuch zum Umweltschutz «vorliest» und ihr erklärt, sie müsse immer das Licht löschen, wenn sie aus dem Zimmer geht, bin ich ganz gerührt und stolz darauf, wie viel die beiden schon verstanden haben.

Am späten Nachmittag dürfen die Kinder ein wenig fernsehen und siehe da: Auch hier ergeben sich Gelegenheiten, um über die Natur und das Klima zu sprechen. Dann, wenn Peppa Wutz mit ihren Eltern im Elektroauto fährt. Oder dann, wenn es in der Abenteuerbucht bei Paw Patrol plötzlich ungewöhnlich viele Extremwetterereignisse gibt. Pädagogisch wertvoller sind allenfalls die zahlreichen Erklärvideos auf YouTube, die Klimawandel und Umweltschutz für alle Altersstufen erklären.

«Man sollte einfach keine Bäume mehr fällen. Die sind nämlich so wichtig für die Natur: Sie saugen den Klimawandel einfach auf.»

Mein Sohn strahlt und ich hoffe ganz fest, dass diese Lösung bald Schule macht.

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