Jenen geben, die wenig haben

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HR TODAY – Corinne Päper – 

Menschen mit wenig Grundkompetenzen haben es in der Gesellschaft schwer. Arbeitgebende investieren kaum in sie und ein auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenes Bildungsangebot gab es bislang nicht. Mit dem 2017 in Kraft getretenen Weiterbildungs­gesetz sollen sie nun kantonal auf niederschwellige Weise gefördert werden. Ein Gespräch mit Christian Maag, Geschäftsführer des Schweizer Dachverbands «Lesen und Schreiben».

Es ist nichts Neues: Arbeitgebende investieren eher in Gutausgebildete als in Menschen, die Weiterbildung dringend benötigen …

Christian Maag: Das stimmt. Gutausgebildete werden wesentlich stärker gefördert als Menschen mit geringer Bildung. Dass jenen mehr gegeben wird, die schon viel haben, zeigen auch Statistiken. Die Frage ist, ob diese Strategie mit Blick auf die steigenden Kompetenzanforderungen am Arbeitsplatz und dem Fachkräftemangel immer noch geeignet ist.

Inwiefern sind Arbeitgebende verpflichtet, Geringqualifizierte zu fördern?

Es lohnt sich, Angestellte zu fördern, damit sie auch komplexere Aufgaben effizient ausführen können. Dazu müssen sie jedoch in der Lage sein, Anleitungen und Anweisungen zu verstehen und umzusetzen. Das wiederum erfordert aus­reichende Grundkompetenzen. In diese zu investieren, ist wesentlich rentabler, als Arbeitnehmende zu ersetzen. Dadurch steigen auch die Mitarbeitendenzufriedenheit sowie die Loyalität zum Betrieb. Das haben mittlerweile viele ­Arbeitgebende erkannt.

Wie könnte man Arbeitgebenden Weiter­bildungen für Geringqualifizierte schmackhafter machen?

Beispielsweise mit einem Projekt wie «Einfach besser – am Arbeitsplatz.» Dieses wird vom Bund, den Kantonen und den Organisationen der Arbeitswelt gefördert, damit Arbeitgebende geeignete Weiterbildungsmassnahmen für ­bildungsferne Menschen umsetzen können. Dazu zählen beispielsweise massgeschneiderte und arbeitsplatzorientierte Kurse im Betrieb, die Arbeitnehmende für künftige Herausforderungen fit machen.

Menschen mit lückenhaften Grundkom­petenzen ergreifen von sich aus kaum die Initiative. Woran liegt das?

Oft ist es eine Mischung aus schlechten Schul­erfahrungen, fehlenden Berufsperspektiven und finanziellen Ressourcen sowie Zeitmangel. Viele schämen sich, weil sie unzureichend lesen, schreiben und rechnen können oder ihnen digitale Fähigkeiten fehlen. Ohne diese Kompetenzen können sie sich aber kaum weiterbilden. Ausserdem ist Bildungsfernen häufig nicht bewusst, wie wichtig eine Weiterbildung ist. Etwa, weil es ihnen im Moment beruflich noch gut geht oder sie keine passenden Angebote kennen. Es fällt ihnen aber auch schwer, Bildungsangebote für sich einzufordern. Zum einen aus Angst, es nicht zu schaffen, zum anderen, weil sie sich angreifbar machen, wenn ihre fehlenden Grundkompetenzen zum Thema werden. Hinzu kommt, dass sie sich im Betrieb nicht als Zielgruppe von Weiterbildungsmassnahmen sehen, da sich diese grösstenteils an Gutausgebildete richten.

Inwiefern brauchen Niedrigqualifizierte Unterstützung?

Betroffene müssen bei einer Weiterbildung relativ viele Hürden überwinden, die Gutqualifizierten nicht im Weg stehen. Meist situative, kognitive oder institutionelle Barrieren. ­Dementsprechend müssen Hindernisse möglichst abgebaut und ­niederschwellige Bildungsangebote geschaffen werden. Dabei hilft beispielsweise ein Gespräch mit dem Mitarbeitenden, um formelle Hürden abzubauen und die Finanzierung zu klären.

Was ist mit niedrigschwellig gemeint?

Niedrige Zugangshürden. Das heisst Angebote, die keine Anmeldung erfordern oder bei denen Interessierte bei der Lösung eines Problems unkompliziert Hilfe erhalten. Beispielsweise beim Ausfüllen eines Online-Formulars oder beim Schreiben einer Bewerbung. So machen Menschen mit lückenhaften Grundkompetenzen positive Lernerfahrungen, die sie ermutigen, am Ball zu bleiben.

Mit dem Bundesgesetz über die Weiterbildung startete der Bund eine Bildungsoffensive mit dem Schwerpunkt, die Grundkompetenzen der Menschen zu fördern. Inwiefern ändert das etwas an der Förderung Niedrigqualifizierter?

Seit das Weiterbildungsgesetz 2017 in Kraft trat, werden Grundkompetenzen in der Schweiz stärker gefördert. Mit dem Engagement des Bundes und der Kantone wurden hierfür erstmals Ziele definiert und die Finanzierung sichergestellt. In den vergangenen vier Jahren entstanden zahlreiche Bildungsangebote und Projekte, die Menschen mit geringen Grundkompetenzen ansprechen, sie unterstützen und ihnen geeignete Bildungsangebote vermitteln. Dazu tragen weitere Stellen bei: etwa die Sozialhilfe, die Berufs- und Laufbahnberatung sowie die Arbeitgebenden. Trotz dieser positiven Entwicklung steigen die Kompetenzanforderungen weiterhin, weshalb uns die Förderung der Grundkompetenzen auch in den kommenden Jahren beschäftigen wird.

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