Ja, ich habe Mühe mit dem Älterwerden!

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watson.ch – Sandra Casalini

«Was machst du eigentlich an deinem Geburtstag?», fragt mein Freund. «Heulen!», sag ich spontan. Und frage mich direkt, warum ich gerade solche Mühe mit dem Älterwerden habe. Sowohl körperlich als auch mental.

Dabei ist’s noch nicht mal ein Runder. Ich werde 48. Aber irgendwie find ich das grad total ungeil. Nicht die Zahl, sondern das Älterwerden an und für sich. Zum einen körperlich. Ich fühle mich gerade wirklich wie in der Pubertät. Da passieren Dinge in und mit meinem Körper, die ich weder kontrollieren noch richtig einordnen kann.

Dass ich wohl nie wieder in meine alte Kleidergrösse passen werde, habe ich akzeptiert. Auch dass meine Brüste je länger je mehr der Schwerkraft zum Opfer fallen und Cellulite nicht mehr nur ein Wort vom Hörensagen ist, sondern sehr präsent bei jedem Blick in den Spiegel, entlockt mir keine Schreikrämpfe mehr.

Hormone? Alter? Schlimme Krankheit?

Aber dass diese verdammten Hormone mit mir spielen, als wär ich eine Puppe – Wechseljahr-Barbie! – macht mich grad wirklich fertig. Stellt euch einfach mal vor, ihr habt einen Tag voller Meetings, und blutet in einer Stunde einen Tampon durch und gleichzeitig läuft euch der Schweiss aus allen Poren, und am Ende des Tages seht ihr aus, als hättet ihr im Regen gestanden. Und ich hab mir am Anfang der Wechseljahre noch gesagt, ein bisschen Schwitzen wäre ja an und für sich nicht schlimm. Von wegen ein bisschen!

Diese beiden Dinge kann ich wenigstens eindeutig den Wechseljahren zuschreiben. Bei vielem anderem hab ich keine Ahnung, ob’s die Hormone sind, das Alter oder irgendeine schlimme Krankheit. Mir tut ständig was weh, und immer etwas anderes. Mal die Füsse, dann die Knie, der Rücken, die Schultern, dann hab ich plötzlich geschwollene Lymphdrüsen. Ausserdem bin ich plötzlich total anfällig auf irgendwie alles. Ich hab dauernd irgendwelche Ausschläge und Entzündungen. Ich, die ich früher immun gegen solche Dinge schien. Der Gedanke, dass mein Körper abgibt, nicht mehr so viel erträgt, nicht mehr so kontrollierbar ist, macht mich fertig.

Die fruchtbaren Jahre sind vorbei

In anderen Worten: meinen «alten» Körper loszulassen, macht mir Mühe. Vielleicht auch, weil am Ende dieser Wechseljahre ein unverrückbarer Fakt steht: Die fruchtbaren Jahre sind vorbei. Genauso, wie die Pubertät den Anfang vom Ende der Kindheit bedeutet, bedeuten die Wechseljahre den Anfang vom Ende meiner wohl wichtigsten Lebensphase. Der Phase, an deren Anfang alles möglich war, in der ich Weichen gestellt, Kinder geboren und erzogen, Träume gelebt, und Träume begraben habe.

Die ist jetzt endgültig vorbei. Ich werde endgültig kein drittes Kind mehr haben. Nicht Profi-Sportlerin werden. Nicht Auslands-Korrespondentin eines internationalen Mediums. Meine Kinder nicht im Ausland aufwachsen lassen. Und wohl auch keine Millionen scheffeln. Das ist nicht tragisch. Doch ich würde gern sagen können, dass ich nichts bereue. Aber das tu ich. Ich habe so viele Entscheide getroffen, deren Konsequenzen ich mir nicht überlegt habe. Und für die ich heute noch (emotional) zahle.

Von wegen gelassen …

Ich hab mir Älterwerden immer relativ cool vorgestellt. Mit dem Alter kommt die Gelassenheit, sagt man doch. Aber dafür muss ich wohl noch älter werden. Momentan ist eher das Gegenteil der Fall. Mir scheint, so wie ich körperlich immer weniger ertrage, ertrag ich auch mental nicht mehr viel. Ich hab das Gefühl, ich rege mich die ganze Zeit über irgendetwas oder irgendjemanden auf. Das ist doch nicht normal. Nur eines kann ich mittlerweile viel besser als vorher: Nein sagen. Nein, ich brauche keine Geschenke. Nein, ich will keine Party. Aber fragt doch so in 32 Jahren nochmal. Dann bin ich vermutlich die coolste 80-Jährige, die ihr euch vorstellen könnt.

Der Artikel von Sandra Casalini

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