CASH – Aisha Gutknecht
Frauen investieren seltener an den Märkten als Männer. Dies wirkt sich auf ihre Vermögensbildung und die Altersvorsorge aus. Dabei verfügen Frauen über Charakterzüge, die Vorteile beim Anlegen bieten.
Nur ein Drittel der Frauen haben Interesse an Investitionen und Anlagetrends, während es bei den Männern doch 50 Prozent sind. So zumindest die Ergebnisse einer neuen Studie von Raiffeisen Capital Management aus Österreich. Effektiv investieren nur rund 15 Prozent der Schweizer Frauen in den Aktienmarkt – bei den Männern sind es doppelt so viele. Dieses Phänomen wird häufig als «Gender Investment Gap» betitelt – und er besteht seit längerem.
«Das Hauptmotiv ist sicherlich die Angst vor Verlusten», führt Karin Kunrath, Chief Investment Officer bei Raiffeisen Capital Management aus. «Frauen haben aufgrund der vielfach schlechteren finanziellen Ausgangslage weniger Spielraum für etwaige Verluste und vermeiden daher von vornherein Investments am Kapitalmarkt.» Weitere Hinderungsgründe für eine Investition sind laut Raiffeisen Sorgen um Preissteigerungen, die Unsicherheit über die eigene finanzielle Zukunft oder den Ruhestand.
Untersuchungen von BNY Mellon haben ausserdem ergeben, dass nur eine von zehn Frauen weltweit das Gefühl hat, sie verstehe das Thema Geldanlage vollumfänglich, und nur 28 Prozent der Frauen fühlen sich bei der Anlage ihres Geldes sicher. Auch Raiffeisen Capital Management kommt zu diesem Schluss: Frauen fühlen sich weniger gut informiert, während Männer ihr eigenes Wissen bei den Themen wie Verzinsung, Inflation oder Kaufkraft und Veranlagung höher einschätzen.
Nebst dem fehlenden Interesse oder Wissen dürfte auch mangelndes Selbstvertrauen ein Grund für die tiefe Beteiligung der Frauen an den Märkten sein. Der US-Vermögensverwalter J.P. Morgan hat herausgefunden, dass investierende Frauen ein höheres Selbstwertgefühl haben als jene, die nicht investieren. Dabei gibt es einige weibliche Charakterzüge, die Frauen beim Investieren eigentlich zum Vorteil gereichten.
Investorinnen analysieren in der regel sorgfältiger, sind geduldiger, sie sind langfristiger orientiert und legen breiter abgestützt an. Zudem würden Anlegerinnen häufiger als Männer einen «Stop-Loss» verwenden, also einen Verkaufsauftrag für ein Wertpapier, der automatisch ausgelöst wird, sobald der Kurs eine vorher festgelegte Marke unterschreitet. Im Gegensatz zu Männern handeln sie weniger impulsiv. So ergaben diverse Studien, dass Frauen über mehrere Jahre durchschnittlich ein halbes Prozent mehr Rendite erzielen.
«Das Ego ist beim Handel ein Thema, und der Überschwang des Marktes in Verbindung mit einer Glückssträhne kann dazu führen, dass sich selbst ein erfahrener Anleger fast unbesiegbar fühlt», sagte Arty Rusetski, Leiter der Abteilung für künstliche Intelligenz bei Capital.com, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. «Frauen haben hier einen leichten Vorteil, weil ihnen ihr Ego nicht so sehr in die Quere kommt wie bei Männern.»
Laut J.P. Morgan benötigt es eine klarere Kommunikation über Produkte, um das strukturelle Problem anzugehen. Der übliche Finanzjargon schreckt Frauen ab, da dieser das Gefühl vermittelt, dass die Anleger einem exklusiven Klub angehören. Die Sprache muss also verständlicher werden.
Zudem verlangen Frauen mehr Hilfe für Erstanlegerinnen. «Wir müssen auf die Bedenken der Frauen eingehen und darüber informieren, wie Kapitalmärkte funktionieren, welche Risiken es gibt, aber auch welche Möglichkeiten sie bieten», sagt Kunrath von Raiffeisen. Eine zugängliche Finanzplanungsberatung würde einen grösseren Anreiz für Investitionen bieten und dazu beitragen, dass Frauen weniger Angst vor Investitionen haben
Ein breiteres Angebot an nachhaltigen Anlagemöglichkeiten würde Frauen zusätzlich ermutigen. Auch wenn es nach einem Klischee klingt: Nachhaltige Geldanlagen sind bei Frauen angesagter als bei Männern. «Es geht darum die Transformation zu unterstützen und Kapital insbesondere jenen Unternehmen und Staaten zur Verfügung zu stellen, denen ökologische und soziale Aspekte wichtig sind», erklärt Kunrath. In Diskussionen zeige sich, dass es vielen Frauen nicht egal ist, wohin ihr Geld fliesst, so die Raiffeisen-Expertin weiter. Frauen wollen ihr Geld verantwortungsvoll investieren und mit ihren Anlagen positive Ergebnisse für die Gesellschaft erbringen.
Ob Frauen anlegen möchten oder nicht, ist letztlich eine individuelle Entscheidung. Allerdings ergeben sich bei einer Entscheidung gegen Anlagen auch finanzielle Auswirkungen, wie beispielsweise die Rentenlücke. Laut dem Bundesamt für Statistik (BFS) liegt das durchschnittliche Renteneinkommen der Frauen 34 Prozent unter demjenigen der Männer. Vermehrte Teilzeitpensen, Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit, Nachteile im Falle einer Scheidung oder strukturelle Hindernisse erschweren den Vermögensaufbau.
Darüber hinaus leben Frauen im Durchschnitt vier bis fünf Jahre länger als Männer, wodurch ihr Vermögensplan eine längere Zeit abdecken muss. Daraus ergibt sich im Alter die klassische «Vorsorgelücke», die dadurch entsteht, dass die 1. und 2. Säule das benötigte Einkommen nach der Pensionierung nicht decken. Sich mit einem Sparkonto finanziell abzusichern ist keine schlechte Idee, allerdings bewegen sich die Zinsen auf Sparkonten seit Jahren auf tiefem bis shr tiefem Niveau. Die bescheidenen Erträge werden zumal auch noch von der Inflation aufgefressen.
Ein Beispiel hierfür unten in der Tabelle. Es wird angenommen, dass Zinsen von 0,1 Prozent auf dem Bankkonto bezahlt werden und eine durchschnittliche Rendite von 5 Prozent für die Anlagelösung über eine Anlagedauer von 15 Jahren besteht.
Foto: CASH / Imago