annabelle – Vanja Kadic –
In der Netflix-Serie «Maid» versucht sich eine alleinerziehende Mutter als Putzhilfe über Wasser zu halten, nachdem sie ihren gewalttätigen Partner verlassen hat.
Wir verraten euch, warum die Dramaserie so gut ist.
Leise schleicht Alex (Margaret Qualley) aus dem Bett, als sie sicher ist, dass ihr Freund Sean (Nick Robinson) tief schläft. Sie packt ihre Tochter Maddy, nimmt nur das Nötigste – Maddys Meerjungfrauen-Puppe «Schmariel» aus dem 1-Dollar-Shop – mit, verlässt den Wohnwagen, in dem die kleine Familie lebt, und fährt los. Am Abend zuvor rastete Sean aus und warf ein Glas gegen die Wand, das neben seiner Freundin und seiner dreijährigen Tochter zerschmetterte. Mit dieser toughen Szene beginnt die Drama-Serie «Maid». Die Netflix-Produktion erzählt die Geschichte einer alleinerziehenden Mutter, die sich von ihrem gewalttätigen Partner trennt.
Um für sich und ihre Tochter ein besseres Leben zu schaffen, setzt Alex alles daran, endlich unabhängig zu sein, und fängt an, Häuser zu putzen. Daneben beginnt sie, über ihre Erlebnisse als Putzkraft zu schreiben. Auf die Hilfe ihrer Eltern kann Alex nur schlecht zählen: Ihre Künstler-Mutter Paula, gespielt von Qualleys echter Mama Andie MacDowell, ist bipolar und ein unberechenbarer Freigeist. Die Beziehung zu ihrem Vater, der ebenfalls gewalttätig war, ist distanziert und schwierig. So sind Alex und Maddy nun obdachlos, auf sich alleine gestellt – und schlafen im Auto oder auf dem Boden einer Fährstation.
«Maid» beleuchtet emphatisch das Thema Armut, erzählt vom pausenlosen Struggle alleinerziehender Mütter und zeigt auf, wie löchrig und kaputt das Sozialsystem in den USA ist. Und dass es eben nicht reicht, nur hart genug zu arbeiten, um aus der Armut auszubrechen – schon gar nicht für eine alleinerziehende Mutter ohne College-Abschluss. Die Serie basiert auf der Biografie «Maid: Hard Work, Low Pay, and a Mother’s Will to Survive» von Autorin Stephanie Land, die mit ihren beiden Kindern aus einer gewalttätigen Beziehung flüchtete und Obdachlosigkeit erlebte. Wie Alex, die in der Serie beim Putzen im Haus einer Klientin vor Hunger umkippt, fehlte auch Stephanie Land als alleinerziehender Mutter oft das Geld, um zu essen. Lands 2019 veröffentlichtes Buch wurde ein Bestseller – ihr gelang es so, sich aus der Armut zu befreien.
«Maid» illustriert feinfühlig, wie komplex und schwierig es – vor allem für Menschen mit Kindern – ist, sich aus einem Abhängigkeitsverhältnis in der Partnerschaft zu lösen. Und warum Opfer häuslicher Gewalt oft mehrere Anläufe brauchen, um ihre Situation zu verlassen. Als Alex und ihre Tochter in einer Unterkunft für Opfer häuslicher Gewalt unterkommen, begegnen sie Frauen, die sich durch den Missbrauch nicht mehr an ihre Lieblingsfarbe erinnern können und zum wiederholten Mal Zuflucht in der Einrichtung suchen. Und auch Alex zieht in der Not wieder bei ihrem Ex ein und braucht mehr als einen Anlauf, um Sean und das Leben im Trailer hinter sich zu lassen.
Eines der grossen Highlights in «Maid» sind die komplexen Figuren, die wundervoll vielschichtig geschrieben sind. Es ist erfrischend, dass Sean nicht einfach nur als plump gezeichneter alkoholkranker Schläger-Freund gezeigt wird. Stattdessen versucht die Serie – ohne es zu bagatellisieren – einzuordnen, warum Sean Alex emotional missbraucht. Er ist nicht einfach das plakative gewalttätige Monster, das Frau und Kind terrorisiert. Sondern ein Mensch mit eigenen tiefen Wunden, der die Gewalt, die er selbst als Kind erlebte, verinnerlicht hat. Wenn Sean phasenweise wieder trocken ist und liebevoll mit Alex und Maddy umgeht, will man auch als Zuschauer:in an sein Potenzial glauben. Um dann wieder eines Besseren belehrt zu werden.
In «Maid» wird so auch deutlich, wie schwierig es ist, den generationsübergreifenden Kreislauf häuslicher Gewalt zu durchbrechen. Besonders emotional ist etwa die Szene, in der sich Maddy in einem Küchenschrank versteckt, als ihr Vater eine Karaffe gegen die Wand schmeisst – exakt so, wie sich schon Alex als Kind in einem Schrank versteckte, als ihr Vater ihre Mutter schlug.
Die Besetzung von «Maid» ist fantastisch und besonders an Margaret Qualley kann man sich kaum sattsehen. Sie vermittelt realitätsnah, wie Alex langsam ihren Selbstwert erkennt und realisiert, dass häusliche Gewalt sich nicht ausschliesslich durch blaue Flecken bemerkbar macht, sondern auch emotionaler Missbrauch dazu zählt. «Maid» ist sehr berührend, sehr wichtig, sehr raw, manchmal kaum zu ertragen – und ein absolutes Must-See.