Die Frauen von Foraus mischen die Schweizer Aussenpolitik auf

Fokus

Aargauer Zeitung – Der Thinktank Foraus profitiert vom steigenden Interesse an Schweizer Aussenbeziehungen. Er spricht die Jungen an mit einer unüblichen Organisation. Und er hat einen bekannten Ableger.

Es ist ein warmer Sommerabend in Bern. Man könnte in einem Strassencafé sitzen, sich von der Aare dahintreiben lassen – 30 junge Menschen haben sich aber in einem Hörsaal der Uni versammelt. Richard Gowan wird aus New York zugeschaltet.

Als Direktor bei den Vereinten Nationen ist er Experte für internationale Krisen und redet nun über die Mitgliedschaft der Schweiz im Uno-Sicherheitsrat: Wo liegen die Chancen, wo die Risiken?

Foraus hat die Veranstaltung organisiert. Foraus lädt in den Schweizer Universitätsstädten zu vielen Veranstaltungen. Die Zahl der Publikationen wächst, und die Exponenten werden von den Medien befragt. Der aussenpolitische Thinktank, im Jahr 2009 gegründet, hat sich etabliert. Wie hat er das geschafft?
Der Ansatz von Foraus ist: Bottom-up, nicht top-down

Treffen in Zürich mit der Präsidentin Anna Stünzi und der Co-Geschäftsführerin Anna-Lina Müller. Stünzi sagt, dass die Themenlage sicher helfe: das schwierige Verhältnis der Schweiz zur EU. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, der zur Frage führe: Und wie verhält sich die Schweiz? Dann die internationale Migration. Eine drohende Energiekrise. Der Aufstieg Chinas. Die Mitgliedschaft der Schweiz im Uno-Sicherheitsrat.

Aussenpolitisch laufe sehr viel, meint Müller. Und Foraus vertrete den Ansatz: Die Schweizer Aussenpolitik soll sich nicht auf die Aussenwirtschaftspolitik und auf die sogenannten guten Dienste beschränken. Die Schweiz solle vielmehr eine aktive, konstruktive Rolle in der Welt spielen. Das spreche junge Leute an, die mehr erwarteten als die traditionelle eidgenössischen Nabelschau.

Foraus steht für «Forum Aussenpolitik». Die Denkfabrik funktioniert anders als die anderen Thinktanks. Müller, die zwei Jahre in Oxford studiert hat, spricht von «enablen».

Was heisst das? Verfasst Avenir Suisse eine Studie, entscheidet dies das Team und schreibt das Papier selber. Bei Foraus kommt die Idee aus dem Netzwerk an Freiwilligen. Dann leistet der Thinktank Unterstützung, schlägt eine Publikation vor, lässt deren Qualität intern und extern prüfen, regt Änderungen an. Der Bottom-up-Ansatz soll Junge ermutigen, ihre Talente zu entwickeln. Anna Stünzi meint dazu: «Leute auszubilden, sehen wir als einen Teil unserer Aufgabe.»

Mit dem «Enablen» ist es aber nicht getan – Chefin Müller will einen «Impact». Foraus bringt sich in Debatten ein. Vor Wochen legte die Denkfabrik eine juristische Analyse der Unionsbürgerrichtlinie vor – ein Stolperstein auf dem Weg zum EU-Rahmenabkommen. Die Autoren zeigten auf, dass eine korrekte Interpretation der Richtlinie den Streit zwischen Bern und Brüssel mildern könnte. Die EU-Kommission schliesst sich dieser Auslegung aber bisher nicht an.

Im Dienste der grünliberalen Expansion?

Das Aussendepartement ist auf Stünzi und Müller aufmerksam geworden: Die Präsidentin ist in eine Expertengruppe berufen worden, die das Verhältnis der Schweiz zur EU analysiert. Die Co-Geschäftsführerin ist Mitglied eines Gremiums, das über die Neutralität der Schweiz berät.

Daneben sind beide damit beschäftigt, Mittel aufzutreiben. «Fundraising», sagt Müller. Das Budget von Foraus ist auf 1,2 Millionen Franken gestiegen. Es gibt eine Geschäftsstelle in Zürich und eine in Genf; 13 Mitarbeiter haben eine feste Anstellung. Hilfreich für den Thinktank ist, dass sich vier Stiftungen zu einem Förderkonsortium zusammengeschlossen haben. Sie unterstützen Foraus längerfristig. Und die Organisation lebt von Mitgliederbeiträgen, Spenden – und einem Zuschuss des Bundes, 120000 Franken pro Jahr.

Der Gründer von Foraus ist eine bekannte Figur: Nicola Forster, hochgeschossen, stets mit einer Fliege am Kragen – und grünliberaler Politiker.

Hat Forster Foraus grünliberal geprägt? Ist der Thinktank Teil seines grossen Netzwerkes, das die Expansion der Grünliberalen beharrlich vorantreibt?

«Nein», antwortet Forster. Er habe den Thinktank 2009 ins Leben gerufen, um Jungen eine Stimme zu geben, die ihre Kompetenz und ihre Ideen in die   Schweizer Aussenpolitik einbringen wollen. Unter den Gründungsmitgliedern seien Sympathisanten verschiedener Parteien gewesen, von der SP bis zur FDP. «Wer für eine isolationistische Schweizer Aussenpolitik ist, machte nicht mit. Das ist nicht unser Ansatz. Die heutige Generation trägt das weiter.»

Eine Altbundesrätin macht nun auch mit

Fünf Jahre nach der Gründung von Foraus kam es zu einem Spin-off: Die Schweizer Stimmberechtigten sagten 2014 Ja zur Masseneinwanderungsinitiative. Einige Mitglieder fanden, dass es mit der Publikation von Texten und der Organisation von Veranstaltungen nicht mehr getan sei. Man müsse auf die Strasse, sich innenpolitisch betätigen, aktiv werden in Abstimmungskämpfen. Die Operation Libero wurde ins Leben gerufen. Sie war bis 2020 erfolgreich in allen ihren politischen Kampagnen.

Nun sagt Anna-Lina Müller, die Chefin von Foraus: «Wir sind mit keiner Partei verbunden. Wichtig sind konstruktive Vorschläge. Es genügt nicht, Kritik zu üben. Man sollte versuchen, eine Lösung aufzuzeigen.» Wer konservative Ansichten hat, wird von Foraus nicht ausgeschlossen. Es ist eher so: Die Menschen melden sich nicht, weil sie merken, dass die Organisation anders ausgerichtet ist.

Kommende Woche stellt Foraus eine neue Publikation vor verfasst von drei Autoren aus dem Netzwerk an Freiwilligen: Vorschläge zur Neutralität der Schweiz. Müller betont, erstens: Altbundesrätin Micheline Calmy-Rey werde an der Veranstaltung sprechen. Und zweitens: Foraus sei mit dem Neutralitätspapier schneller als der Bundesrat, der sein Dokument erst Ende August vorstelle. Vielleicht lässt sich die Regierung von der Denkfabrik inspirieren.

Der Artikel von Francesco Benini

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