Der Traum einer abfallfreien Textilindustrie

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BEEHIVE MAGAZIN – SYLVIE MERLO –

Soll der Planet für zukünftige Generationen bewahrt werden, muss die Textilindustrie den Weg vom linearen zum zirkulären Ansatz einschlagen. Die Vision von Yvonne Vermeulen und Karen Rauschenbach, den Initiantinnen von CIRCULAR CLOTHING, ist deshalb eine Zero-Waste-Textilindustrie, in der Ressourcen in einem geschlossenen Kreislauf genutzt werden.

 

Die gebürtige Holländerin Yvonne Vermeulen arbeitet seit über 30 Jahren als Kreative in der Modebranche. Dabei hat sie immer das freie Unternehmertum im Mandatsverhältnis der festen Anstellung vorgezogen. Denn aufgrund ihrer grossen Passion für das Kreieren von Mode und das Reisen um die Welt wollte sie sich frei fühlen, um sich weiterentwickeln zu können. Ausserdem wusste sie schon immer, dass sie irgendwann eine eigene Familie haben möchte, um etwas Tempo aus dem Berufsleben zu nehmen, aber nie mit dem aufzuhören, was sie so gerne tut.

 

So international wie Yvonne beruflich unterwegs ist, so international ist auch ihre Familie: Ihr Ehemann stammt aus Tel Aviv, ihre älteste Tochter wurde vor 19 Jahren in Rom geboren und die Zwillinge erblickten vor 12 Jahren in Los Angeles das Licht der Welt. Zurzeit leben sie in Bologna. Ihre Kinder waren immer Teil ihrer Arbeit. Vor allem ihre ältere Tochter reiste schon im Alter von drei Jahren mit und besuchte all die Länder, in denen die Kollektionen entstanden. So lernte sie verschiedenste Kulturen kennen, nicht als Touristin, sondern im Berufsalltag ihrer Mutter. Eine Erfahrung, die beide sehr genossen haben. Auch wenn sie nach der Geburt der Zwillinge nicht mehr so viel unterwegs war, hat Yvonne nie aufgehört, für ihre Modepassion zu leben, und wenn immer möglich, geniesst sie auch heute noch die gemeinsamen Reisen mit ihren Kindern.

Yvonne legt Wert darauf, dass ihre Kinder verstehen, dass sie eine glücklichere Mutter haben, wenn sie auch ihre Passion ausleben kann. Dabei möchte sie ihnen auch vermitteln, dass sie als Berufstätige wirtschaftlich unabhängig sein kann. «Natürlich wissen die Kinder, dass sie immer an erster Stelle kommen», so die Kreative.

 

Vor fünf Jahren kreuzten sich in Amsterdam die Wege von Yvonne mit jenen von Karen Rauschenbach, Mit-Initiantin von CIRCULAR CLOTHING und Mit-Gründerin des Labels ‘the Blue suit’. Karen suchte vergeblich einen Ersatz für ihren Lieblingsanzug aus Denim, der in die Jahre gekommen war. Aus dieser Not, gepaart mit dem grossen Know-how der Denim-Spezialistin Yvonne, entstand das Label ‘the Blue suit’, welches für zeitloses Design, hohe Qualität, semi-klassische Schneiderei und perfekte Passform steht.

 

 

Karen Rauschenbach – «Gemeinsam eine Firma zu gründen, ist ein bisschen wie verheiratet zu sein – in guten wie in schlechten Zeiten» 

 

Co-Unternehmerin und Mutter

Die gebürtige Deutsche Karen Rauschenbach ist seit 2017 in der Modebranche tätig und lebt heute mit ihrer Familie in der Schweiz. Nachdem sie bei einer Weiterbildung in Amsterdam Yvonne Vermeulen kennenlernte, wagte sie nach 16 Jahren Karriere in einem internationalen Konzern den Schritt in die Selbstständigkeit. Auch wenn das Verlassen des ‘sicheren’ Job am Anfang ziemlich beängstigend war, hat Karen diesen Schritt in die Ungewissheit bis heute nicht bereut.

«Gemeinsam eine Firma zu gründen, ist ein bisschen wie verheiratet zu sein – in guten wie in schlechten Zeiten», so Karen. Für die Unternehmerin stand von vornherein fest, dass sie diese Reise niemals alleine antreten wollte. Denn ihrer Meinung nach braucht es Teamarbeit, um sich gegenseitig zu motivieren, Ideen zu spiegeln und unterschiedliche Meinungen zu einem Thema diskutieren zu können. Alleine könnte sie sich das nicht vorstellen.

Ihre ehemalige Vorgesetzte hat einmal im Interview gesagt, sie wünschte sich, dass alle Mitarbeitenden so effizient wären wie berufstätige Mütter. Denn diese arbeiten effizient, setzen nicht mehr Zeit als notwendig für ein Thema ein und haben gelernt, viele Aufgaben parallel zu handeln.

 

Darüber hinaus ist es für Karen essenziell, dass in der Partnerschaft die Erziehungsarbeit geteilt wird. Ihre Zwillinge sind mittlerweile 13 Jahre alt. Sie erachtet es als grosses Glück, dass sie in Deutschland die Möglichkeit hatte, die ersten drei Monate gemeinsam mit ihrem Mann die Kinder zu betreuen und dann noch bis zum ersten Geburtstag Elternzeit zu nehmen. Ihr Ehemann hat im Gegenzug eine zweijährige Auszeit genommen, als die Kinder im Vorschulalter waren. Da war Karen der `Alleinverdiener`.

Nebst den geteilten Elternpflichten legen Karen und ihr Mann Wert auf gleiche Rechte im Berufsalltag. Wenn es zum Beispiel um Geschäftstermine geht, ist es nicht automatisch so, dass sie ihre Termine anpasst, wenn zum Beispiel ein Kind krank wird. Da haben beide Elternteile die gleiche Priorität und besprechen, was möglich ist. Auch die Hausarbeit wird geteilt.

 

Umdenken auf Systemebene

Nach 25 Jahren Tätigkeit für die grosse Modelabels und Produktionen ausserhalb Italiens, hauptsächlich im mittleren und fernen Osten, wusste Yvonne, dass sie etwas verändern musste. Sie hatte zu viele unschöne Dinge gesehen, mit denen sie nicht mehr einverstanden war. Auch wenn sie immer ihr Bestes getan hatte, um die Arbeitsbedingungen der Menschen vor Ort zu respektieren, zum Beispiel durch das Einrichten von Kinderhorten in den grossen Produktionsstätten im indischen Bangalore.

Karen Rauschenbach – «Wie kann sie mit ihren Kindern über Umweltprobleme diskutieren, wenn sie nicht selbst verantwortungsvoll handelt» .

 

 

Mit dem Bewusstsein, dass sie auch Teil dieser Modeindustrie und dem zweitgrössten Umweltverschmutzer sei, hat sich Yvonne für eine radikale Änderung in ihrer Arbeitsweise entschieden: weg vom ‘take, make, waste’-Zyklus, hin zu einem sicheren und zirkulären Weg in der Herstellung von Kleidern. Denn wie kann sie mit ihren Kindern über Umweltprobleme diskutieren, wenn sie nicht selbst verantwortungsvoll handelt.

 

Mode ist ein sehr komplexes Thema. Nach all den Jahren von Fast Fashion, mit dem übergeordneten Ziel, den Konsumenten so viel Auswahl wie möglich und zu immer tieferen Preisen anzubieten, sind die Herausforderungen für faire und nachhaltige Lösungen sehr gross. Fast Fashion hat zu einem verantwortungslosen Konsum geführt: nach einem Jahr landen bereits 60 % der Kleider auf dem Müll, das entspricht einem Lastwagen voller Kleider pro Sekunde. 40 % der produzierten Kleider werden weder verkauft noch getragen (Quelle: Ellen MacArthur Foundation).

Es ist höchste Zeit für ein Umdenken auf Systemebene. Für das Umdenken und die Veränderung hin zu einer kreislauffähigen oder zirkulären Textilindustrie sind sämtliche Akteure auf allen Ebenen in der Pflicht. Das war die Motivation für Karen und Yvonne, vor einem Jahr das Projekt CIRCULAR CLOTHING zu lancieren. Denn ein kleines Label wie ‘the Blue suit’ reicht nicht, um solche Systemänderungen voranzutreiben.

 

Karen Rauschenbach – «Fragt euch, ob ihr das Teil auch 30-mal tragen werdet.».

 

Verantwortung übernehmen für zukünftige Generationen

Vielleicht sind berufstätige Mütter noch mehr sensibilisiert und wissen, welchen Einfluss ihr Handeln für zukünftige Generationen hat. Es lohnt sich deshalb, den persönlichen Kleiderkonsum zu hinterfragen. Eine gute Entscheidungshilfe beim Kleiderkauf von Karen: «Fragt euch, ob ihr das Teil auch 30-mal tragen werdet.».

Die beiden Textilunternehmerinnen sehen sich als Vorbilder für ihre Kinder. Denn diese sehen, wie die Eltern handeln, wie sie leben, welche Entscheidungen sie treffen und was ihnen wichtig ist. Daran werden sich die Kinder orientieren. Das ist unsere Chance die Welt im Kleinen zu verändern.

 

Der ausführliche Artikel auf beehive-magazin.ch

 

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