Tagesanzeiger – Barbara Spycher
Saba Temelso aus Eritrea hat eine riskante Flucht und eine schwere Krankheit hinter sich. Heute bekocht sie in Genf täglich 60 Gäste und fühlt sich endlich frei.
Saba Temelso steht am Herd und lässt den flüssigen Teig mit einer anmutigen Bewegung in die Bratpfanne gleiten. Es zischt. Sanft und kreisend bewegt sie die Pfanne, sodass der Teig langsam die Form einer Crêpe annimmt.
Es ist Injera, ein Fladenbrot aus Sauerteig, das zu fast jedem eritreischen Gericht gehört – so auch zu den Shekla Tibs, dem Fleischgericht, das es im Restaurant Cuisine Lab in Genf zu kosten gibt.
Das «Cuisine Lab» ist kein gewöhnliches Restaurant. Es ist eine soziale Institution, die seit über einem Jahr die Kundschaft mit Spezialitäten aus Eritrea, Sri Lanka und Syrien anzieht, der Heimat der drei geflüchteten Köchinnen und Köche. Saba Temelso ist eine von ihnen.
Die 41-jährige Eritreerin hat eine bewegte Geschichte hinter sich, die ihr immer wieder viel Mut, Verantwortung und Kraft abverlangt hat, weil sie von vielen Entbehrungen geprägt war. Und zum Schluss von einer lebensgefährlichen Flucht nach Europa. In der Schweiz ersuchte sie um Asyl und wurde als Flüchtling anerkannt. Ganz allein in einem fremden Land, dessen Schrift und Sprache sie zuerst erlernen musste.
Der Neustart war schwer. Zumal sie auch noch an Brustkrebs erkrankte. Doch jetzt ist sie so weit wieder genesen, hat eine Arbeit, die sie liebt, und verdient ihr eigenes Geld. Saba Temelso steht heute auch finanziell auf eigenen Beinen und sagt: «Ich fühle mich frei und bin zufrieden. Meine Träume sind wahr geworden.»
Der Grund für die positive Wende ist das «Cuisine Lab», das 2016 als Freiwilligenprojekt gestartet ist. Einige in Genf lebende Expats wollten etwas unternehmen angesichts der Flüchtlingskrise. Sie brachten Geflüchtete zum Kochen und Essen zusammen. Daraus entwickelte sich rasch ein Cateringservice.
Saba Temelso war von Anfang an dabei und zelebrierte ihre Kochkunst für Anlässe – sei es für ein Willkommensessen für Flüchtlinge, sei es für private Caterings oder internationale Organisationen. Das tat sie alles als Freiwillige. «Wir haben hart gearbeitet, schleppten unzählige Einkäufe nach Hause, kochten dann in kleinen Küchen und transportierten das Essen unter anderem mit dem Bus zu den Kunden», erzählt sie. Als die Verantwortlichen des Projekts Saba nach ihrem Traum fragten, antwortete sie: «Ein eigenes Restaurant!»
Seit Februar 2023 ist der erste Schritt dazu getan: Im Restaurant Cuisine Lab in Genf bekocht die Eritreerin täglich rund sechzig Gäste.