Das Berner Chemie-Genie Gertrud wollte die Welt vor Giftgas- und Atomkriegen retten

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watson – Simone Meier –

Gertrud Woker (1878–1968) war eine frühe Professorin, Pazifistin und Feministin. Dafür wurde sie in Amerika vom Ku-Klux-Klan und in der Schweiz von der Armee angegriffen. Und von ihren engsten Kollegen so lange zermürbt, bis sie unter Verfolgungswahn litt.

Jetzt gibt es ihr Leben als Dokfilm im Kino.


Das Mädchen Gertrud interessiert sich für vieles. Haushaltstätigkeiten gehören nicht dazu.

Weshalb es beschliesst, ganz einfach nie zu heiraten. Wenn es nicht heiratet, muss es auch

nicht kochen oder putzen. Es wird sich in dieser Hinsicht sehr treu bleiben.

Viel lieber lernt es. Zuerst für die Matura, heimlich, jede Nacht bis drei Uhr. Tagsüber darf es nämlich nicht ins Gymnasium, sondern wird ausgerechnet im Haushalten unterrichtet.

Die Nachtschichten sind Gertruds Gesundheit nicht zuträglich, aber sie schafft die Matura.

Und schreibt sich sofort an der Uni Bern ein. In Chemie. Studiert auch noch in Berlin.

Beschliesst das Studium 1903 als 25-Jährige mit einer Summa-cum-Laude-Dissertation.

Vollendet bereits zwei Jahre später ihre Habilitationsschrift im Bereich Geschichte der

Chemie und Physik. Und wird 1907 zur ersten Dozentin für Chemie im deutschsprachigen

Raum, aber noch lange nicht zur Professorin.

Gertrud Johanna Wokers Start in die Wissenschaftsszene ist steil. Die Presse im In- und Ausland berichtet über sie.

Einer Zeitung in Wien fällt auf, dass sie und ihr Vater, der Geschichtsprofessor Philipp Woker,

jetzt beide an der Uni Bern unterrichten. Die Universität Leipzig bemüht sich um sie, eine

deutsche Illustrierte kündigt sie bereits als den «ersten weiblichen Professor in Deutschland»

an, doch sie bleibt in Bern. Was ziemlich sicher ein Fehler ist, denn die Berner Kollegen sind

nicht drauf erpicht, die junge Frau, die in der internationalen Community beneidenswert ernst

genommen wird, sehr viel weiter kommen zu lassen. Ihre Forschungsgelder sind mickrig, ihr

Labor winzig, ihr Gehalt so klein wie nur irgendwie möglich.

 

Und dann beginnt sie sich auch noch für den Frieden einzusetzen. Für den Frieden! Wo sich

der Erste Weltkrieg doch gerade für die chemische Industrie, an deren Fortschritt Forschende

wie Gertrud Woker mitarbeiten, zu einer Goldgrube entwickelt. Der Berliner Chemiker Fritz

Haber erhält den Auftrag, Gase zu finden, mit deren Hilfe der Feind aus den Schützengräben

getrieben werden kann. Haber nimmt dafür Chlor – und macht daraus das auch als Senfgas

bekannte Giftgas.

 

Im April 1915 setzen es die Deutschen zum ersten Mal im belgischen Ypern gegen die

Franzosen ein: 1500 ersticken, Abertausende leiden unter schweren Verätzungen. Habers

Frau, die Chemikerin Clara Immerwahr, erschiesst sich mit der Dienstwaffe ihres Mannes, als

sie sieht, welches Monster seine Wissenschaft geboren hat.

In einem ärztlichen Leitfaden für Kampfgaserkrankungen heisst es: «Über der Lunge

verbreitet hört man das feinblasige, kochende Ödemrasseln, die Kranken ringen ächzend und

stöhnend nach Luft. In diesem Zustande bietet der Kranke für die Umgebung ein

schaudervolles Bild des Jammers. Man sieht förmlich, wie der Kranke in der eigenen

Flüssigkeit ertrinkt, die sich in die Lungen ergossen hat. Wer jemals einen Gaskranken in

dem beschriebenen Stadium des Höhepunktes des Lungenödems gesehen hat, der muss,

wenn er noch einen Funken von Menschlichkeit besitzt, verstummen.»

Der ganze Artikel auf watson.ch

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