4 Fragen an Clelia Bieler – Gründerin und Geschäftsführerin Frau MINT

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Ich bin Geistes- und Sozialwissenschaftlerin, habe ursprünglich Anglistik, Medienwissenschaften und Soziologie an der Universität Bern studiert und bin nun seit zwei Jahren selbständig als Frau MINT unterwegs (MINT = Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik). Was auf den ersten Blick irgendwie nicht zusammen passt, macht auf den zweiten Blick durchaus Sinn. Aber der Reihe nach:

Ich bin seit über 10 Jahren im Bereich der MINT-Bildung tätig, mit Fokus auf Projekte, Programme und Kampagnen zur Förderung des Technik- und Informatikinteresses von Kindern und Jugendlichen. Mehr Diversität in den MINT-Fachbereichen ist mir ein grosses Anliegen, und da viele dieser Fachbereiche immer noch sehr männerdominiert sind – vor allem in Technik und Informatik – geht es meist darum, den Frauenanteil zu erhöhen.

Es gibt unterschiedliche Ansätze, dies zu tun und auch dafür zu sorgen, dass die Frauen in den entsprechenden Fachbereichen bleiben (Stichwort leaky bucket oder leaky pipeline).

Mein Ansatz ist es, früh anzufangen und sozusagen die Pipeline von unten zu füllen. Dabei geht es aber nicht nur um «Frühförderung», sondern vor allem um eine kontinuierliche Begleitung und um stetiges Empowerment von verschiedensten Seiten, über alle Bildungsstufen hinweg.

Für mich geht Diversität aber noch weiter. Es geht auch um Meinungsvielfalt und die Integration unterschiedlicher Perspektiven. Als Sozialwissenschafterin unter vielen Ingenieur:innen und Naturwissenschaftler:innen habe ich Erfahrung darin, andere Perspektiven einzubringen und mit der Zeit realisiert, dass ich oft als Übersetzerin unterwegs war, z.B. zwischen der Welt der Ingenieur:innen und jener der Nicht-Ingenieur:innen. Nachdem ich also mehr als 10 Jahre lang für unterschiedliche Institutionen und Unternehmen tätig war, bin ich irgendwann an dem Punkt angelangt, wo ich mich gefragt habe: Willst du dein Know-How wirklich einfach exklusiv der nächsten Arbeitgeberin zur Verfügung stellen? Die Antwort war klar: Nein! Das war der Grundstein zur Gründung meiner eigenen Firma: Frau MINT. Ich habe die Firma parallel zur Gründung unserer eigenen Familie aufgebaut und nebenbei Teilzeit gearbeitet, bis ich vor zwei Jahren gesagt habe: Jetzt oder nie! und seither voll auf Frau MINT setze.

War das eine einfache Entscheidung? Nein. War es eine klare Entscheidung? Definitiv ja! …und so habe ich in der Zwischenzeit vier Babys: Zwei habe ich selbst auf die Welt gebracht, eines habe ich selbst gegründet (Frau MINT) und mein viertes Baby ist mein mint-farbiges Rennvelo, das ich über alles liebe (ein Bianchi, colore celeste, für die Insider… 😉).

FRAU MINT


SWONET: Was fasziniert und begeistert Dich an Deiner Arbeit?

Clelia Bieler: Mich treibt vor allem an, dass ich täglich das Gefühl habe, etwas Sinnvolles zu tun. Selbstverständlich ist nicht jeder einzelne Arbeitsschritt «full of purpose». Gerade als Selbständige muss ich ja alles selbst machen, auch die weniger tollen Admin-Arbeiten etc. Aber genau dieser Mix macht es meiner Meinung nach aus: Repetitive, eher «öde» Arbeiten machen den Kopf frei, um wieder voll konzentriert konzeptionell arbeiten zu können. Diese Abwechslung, gepaart mit der Unvorhersehbarkeit, fasziniert mich immer wieder von Neuem. Ich hasse Routine. Und eine solche ist in den letzten zwei Jahren selten aufgekommen.

SWONET: Wie betrachtest Du Karriere, früher und heute?

Clelia Bieler: Ich bin noch in der Generation «Brötli bache, Hüsli baue» aufgewachsen, geprägt vom Leistungsgedanke: Nur wenn du etwas geleistet hast, bist du etwas wert. So bin ich auch mit dem klassischen Karrierebegriff gross geworden: Karriere gemacht hat jemand, der einen geradlinigen Lebenslauf, immer mehr Führungsverantwortung und immer mehr Geld hat. Das sehe ich heute komplett anders. Ich setze mich mit unterschiedlichen Karrierewegen auseinander und finde jene, die nicht unbedingt «geradlinig» sind, besonders interessant. Mutterschaft – oder generell Elternschaft – ist für mich zum Beispiel keine Lücke im Lebenslauf, sondern eine spezifische Kompetenz.

 

SWONET: Was ist Dein Rat für Berufseinsteigerinnen oder Gründerinnen?

Clelia Bieler: Zu jedem Plan A gibt es auch einen Plan B, oder vielleicht sogar einen Plan C oder D. Die ersten Weichen in der Berufswahl werden bei uns in der Schweiz extrem früh gestellt. Darum ist für mich die wichtigste Message: Es ist keine Entscheidung fürs Leben. Auch wenn man im zig-zag und über Umwege zum Traumberuf gelangt, wenigstens hat man dann seinen Traumberuf. Und: Man lernt am meisten aus Dingen, die auch mal schief gehen. Darum ruhig mal etwas wagen und gegen den Mainstream schwimmen, es lohnt sich!

…oder um es mit meinem Lieblingssprichwort auf Romanisch zu sagen:

Che voust fer, cunter il vent nu poust pischer…

…schi, poust pruver, ma dvaintast ün po bletsch!

 

SWONET: Wie startest Du in den Tag?

Clelia Bieler: Meist mit dem üblichen Familienwahnsinn. Alle vier irgendwie raus aus den Federn, ins Badezimmer rein (wir teilen uns eines zu viert, fast schon WG-mässig), anziehen, frühstücken, alle rechtzeitig aus dem Haus für Schule/Kindergarten/Arbeit, und wenn ich keinen frühen Termin habe, im Büro ankommen und erstmal einen Kaffee trinken. Dann kann der Tag beginnen.

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